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Das Solargeschäft hat Siemens zum Verkauf angeboten, auf Windenergie und Wasserkraft setzt der Konzern aber weiterhin.

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Barbara Kux: "Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Zwang, sondern durch Inspiration und Überzeugung."

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STANDARD: Die sind mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 als erste Frau in den Vorstand des männerdominierten Ingenieurkonzerns Siemens eingezogen. Purer Zufall?

Barbara Kux: Meine beiden Verantwortungsbereiche Supply-Chain-Management wie auch Nachhaltigkeit bieten große Potenziale für Siemens. Aufgrund der Finanzkrise galt es beim Einkauf durch Bündelung der Einkaufsvolumen substanzielle Ergebnisbeiträge für Siemens zu realisieren, was gelungen ist. Im Weiteren bietet Nachhaltigkeit ein Riesenpotenzial für unser Unternehmen.

STANDARD: Inwiefern?

Kux: Zum einen ist es eine große Wachstumschance für uns, zum anderen hat das auch Auswirkungen auf die Umwelt. Wir hatten bereits 2008 Produkte in unserem Technologieportfolio, mit denen man über 30 Prozent des CO2-Problems der Welt in den für uns relevanten Industrien lösen kann.

STANDARD: Ist die Finanzkrise Fluch oder Segen, wenn man einen Konzern wie Siemens auf Nachhaltigkeit trimmen will?

Kux: Die Finanzkrise verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig nachhaltiges Handeln ist. Genauso wie die wundersame Geldvermehrung nicht funktioniert, gibt es auch die Ressourcen unserer Erde nicht im Überfluss.

STANDARD: Was ist die Konsequenz?

Kux: Bereits heute verbrauchen wir die natürlichen Ressourcen von 1,6 Erden. Im Jahr 2030 werden wir, falls keine Kurskorrektur passiert, bereits zwei Erden benötigen. Wir können die Erde nicht kopieren. Insofern müssen wir schauen, wie wir effizienter mit den begrenzt vorhandenen Ressourcen unserer Erde umgehen und wie wir eingesetzte Ressourcen wiederverwenden können.

STANDARD: Kritiker sagen, Konzerne wie Siemens hängen sich nur ein grünes Mäntelchen um.

Kux: Da verweise ich auf unseren Gründervater Werner von Siemens. Der hat gesagt: Für den augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht. Ich kenne kein nachhaltigeres Statement. Das ist die DNA, die wir als Siemens haben, Dinge langfristig anzugehen und nicht blindlings auf kurzfristigen Gewinn aus zu sein.

STANDARD: Heißt in Zahlen was?

Kux: Wir haben 2011 mit grünen Technologien rund 30 Milliarden Euro Umsatz gemacht, das sind etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes von Siemens. Was besonders wichtig ist, sind die Auswirkungen auf die Umwelt. Mit den 30 Milliarden können unsere Kunden 320 Megatonnen CO2 reduzieren, das ist viermal der Jahresausstoß von Österreich. Da von grünem Mäntelchen zu sprechen, wird der Sache nicht gerecht.

STANDARD: Wie gehen Sie dann mit der Entscheidung um, aus dem Solarenergiegeschäft auszusteigen?

Kux: Wir konzentrieren uns auf Felder, wo wir "grüne" Produkte in großem Maßstab für den Weltmarkt anbieten können. Das Solargeschäft erfüllt diese Bedingungen für Siemens nicht. Es ist für die überschaubare Zukunft eine Technologie, für die ein Weltunternehmen wie Siemens nicht der beste Anbieter ist. Wir setzen aber weiterhin auf erneuerbare Energiequellen wie Wasserkraft und Windenergie.

STANDARD: Sind Umwelttechnologien krisenresistenter als andere?

Kux: Die Wachstumsraten jedenfalls waren in den letzten vier Jahren bei den grünen Technologien höher als beim übrigen Geschäft. 2011 lag sie bei neun Prozent.

STANDARD: Wie groß ist der Markt?

Kux: Der Weltmarkt für Umwelttechnologien ist heute rund 2000 Milliarden Euro schwer. Bis 2025 wird er sich Schätzungen zufolge auf 4000 Milliarden Euro verdoppeln - ein Markt, wo insbesondere europäische Unternehmen große Chancen haben, weil das Umweltthema immer ein europäisches war. China und Korea wollen den Europäern die Führungsrolle streitig machen. Es geht folglich auch darum, unsere Nummer-eins-Position zu verteidigen.

STANDARD: Sie haben die Zahl der Siemens-Lieferanten von rund 113.000 auf gut 90.000 gesenkt. Nach welchen Kriterien?

Kux: Wir haben uns überlegt, ob sie für die Zukunft strategisch wichtig sind oder nicht. Danach haben wir Vorzugspartner ausgewählt.

STANDARD: Die auch große Volumina mit Ihnen abwickeln?

Kux: Nicht unbedingt, eine strategische Partnerschaft ist unabhängig vom Volumen. Der Anteil bevorzugter Lieferanten ist im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent auf jetzt 42 Prozent gestiegen. Seit eineinhalb Jahren bieten wir unseren Partnern auch unser Energieeffizienzprogramm an.

STANDARD: Hintergedanken?

Kux: Dass sie sich selber messen können und wissen, wo sie stehen und was sie verbessern sollten. Weniger Energieverbrauch heißt weniger Kosten und weniger CO2.

STANDARD: Ist der Energiecheck ein Muss für Lieferanten, die Lieferanten von Siemens bleiben wollen?

Kux: Es ist kein Muss. Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Zwang, sondern durch Inspiration und Überzeugung. (Günther Strobl, DER STANDARD, 19.11.2012)