Frankfurt am Main - Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain hat zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht. "Wenn man zu einer Party geht und sagt, man ist Banker, schweigen die Leute", klagt der 49-Jährige. Schön sei das nicht. Nun dürfte es wohl nicht allzu oft vorkommen, dass der Vorsitzende des mächtigen Geldhauses in die Verlegenheit gerät, sich in dieser Form vorstellen zu müssen. Dass seine Branche in Verruf ist, weiß er trotzdem. Und dass Vertrauen die wichtigste Währung ist.
Mit seinem Kollegen Jürgen Fitschen ist Jain deshalb an diesem Samstag zum Führungstreffen Wirtschaft der "Süddeutschen Zeitung" nach Berlin gekommen. Auf dem Podium im Hotel Adlon, nur ein paar hundert Meter von Reichstag und Kanzleramt entfernt, starten die beiden Top-Banker eine Charmeoffensive. Die Politik haben sie dabei fest im Blick. Zumindest in Gestalt von Peer Steinbrück, dem designierten SPD-Kanzlerkandidaten, der zurzeit als scharfer Kritiker der Banken auftritt - und nun unten in der ersten Reihe sitzt.
In herzlichen Worten versichern Jain und Fitschen auf dem Podium, wie eng die Zusammenarbeit in ihrem Tandem ist, wie bedingungslos das gegenseitige Vertrauen. "Anshu sagte mir einmal, dass er mit mir mehr spricht als mit seiner Frau. Das ist langfristig natürlich gar nicht gut für die Ehe", sagt Fitschen. Ohne engste Abstimmung aber gehe es nicht. "Das ist tatsächlich vergleichbar mit einer Ehe", sekundiert Jain. "Man muss viel einbringen, aber man hat auch gemeinsame Werte."
Ära Ackermann vorbei
Gemeinsame Werte, ein kultureller Wandel, das ist es, was die beiden ungleichen Männer vermitteln wollen. Wir wissen, es hat Fehler gegeben, aber wir ziehen die Konsequenzen daraus, heißt die Botschaft. Die Ära von Josef Ackermann, sie ist vorbei.
Und die engen Verbindungen, die Ackermann zu Kanzlerin Angela Merkel und anderen Spitzenpolitikern hatte? Man habe Zugang zu allen wichtigen Entscheidungsträgern in Berlin, sagt Fitschen schlicht. Und wenn Jain im Januar 50 wird? Erwartet er dann auch eine Einladung von Merkel ins Kanzleramt, wie sie Ackermann zum 60. Geburtstag erhielt? "Sie erwarten jetzt aber keine ernste Antwort, oder?", grinst der.
Deutsch hat Jain immer noch nicht richtig gelernt. Deshalb verläuft die gesamte Diskussion auf Englisch. "Ich weiß natürlich, wie wichtig es ist, Deutsch zu sprechen", sagt der aus Indien stammende Brite. Doch weil sein Deutsch so holperig sei, wechselten die meisten Leute gleich ins Englische. Deshalb hielten sich seine Fortschritte in Grenzen.
Nach dem Auftritt wechseln die Rollen, Steinbrück tritt nach vorn, wettert gegen die Auswüchse des Finanzsektors, erneuert seine Forderung nach einer Trennung des risikoreichen Investmentbankings vom klassischen Kundengeschäft. Fitschen und Jain haben das zuvor strikt abgelehnt. Sie hören trotzdem freundlich zu. Man weiß ja nie, wer demnächst drüben im Kanzleramt sitzt. (APA, 18.11.2012)