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Foto: AP/Dimitri Messinis

Brüssel/Frankfurt - Vor der Sondersitzung der Euro-Finanzminister zu Griechenland am kommenden Dienstag hat sich am Wochenende keine Annäherung der internationalen Geldgeber abgezeichnet. IWF-Chefin Christine Lagarde ermahnte ihre europäischen Partner zu Realitätssinn und erklärte, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich mit seiner Glaubwürdigkeit nicht bedingungslos hinter die Rettungspläne stellen könne.

Nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank ist ein drittes Hilfspaket für Griechenland unvermeidbar. "Wir sollten die Finanzierung für die Jahre 2013 und 2014 jetzt nächste Woche aufstellen", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen dem ZDF nach einer Vorabmeldung vom Sonntag.

Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich Griechenland in den Jahren 2015 und 2016 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen könne. "Das heißt, es wäre dann ein Anschlussprogramm erforderlich", sagte Asmussen. Allein mit Krediten sei dem Land nicht geholfen. Um den Schuldenstand nicht zu erhöhen, kämen nach seinen Worten ein Schuldenrückkauf oder eine Senkung der Zinsen auf die ausstehenden Kredite infrage.

Kompromiss

Nach den Worten von Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sind der IWF und die Währungsgemeinschaft dabei, ihren Konflikt über den Schuldenabbau Griechenlands zu lösen. "Ich gehe davon aus, dass wir die Reststrecke im Fall Griechenlands gemeinsam mit dem IWF zurücklegen werden", sagte Juncker am Samstag.

Derzeit arbeite die Euro-Zone intensiv an einem Kompromiss für die weiteren Griechenland-Hilfen und mache dabei Fortschritte, betonte Juncker. Man müsse aber abwarten, ob eine Einigung bis zum Treffen am Dienstagabend gelingen werde. Lagarde bricht ihre Asien-Reise ab, um bei der Sondersitzung dabei zu sein.

Am vergangenen Montag war der Streit unter den Geldgebern offen ausgebrochen: Der IWF pocht auf einen Abbau des griechischen Schuldenbergs auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2020, die Euro-Gruppe will bis 2022 Zeit geben, ist sich aber uneins, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen. IWF-Experten glauben, dass der Abbau kaum ohne einen Nachlass der öffentlichen Gläubiger zu erreichen ist. Geldgeber wie Deutschland und die Niederlande schließen das aber schon allein aus rechtlichen Gründen aus.

Solides Programm

"Ich versuche immer konstruktiv zu sein, aber mir geht es um zwei Ziele", sagte Lagarde in Manila. "Ein solides Programm für Griechenland zu verabschieden, das heute glaubwürdig ist, das morgen tragfähig ist und das in der Realität verankert ist und kein Wunschgedanke." Das zweite Ziel sei, "die Integrität, Glaubwürdigkeit und Qualität unserer Empfehlungen zu wahren nicht für den Fonds selbst, sondern um das den Europäern zur Verfügung zu stellen, die daran interessiert sind."

Deutschland und Frankreich haben angekündigt, dass Griechenland am Dienstag die politische Zusage für die nächste Hilfstranche erhalten soll, die sich inklusive bisher nicht geleisteter Zahlungen auf bis zu 44 Milliarden Euro belaufen kann. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel pochte am Donnerstag nach Beratungen mit dem französischen Ministerpräsidenten Jean-Marc Ayrault jedoch darauf, dass dafür die langfristige Schuldentragfähigkeit geklärt sein muss. Der Bericht der Troika aus IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank dazu steht aber noch aus. Der Streit verunsichert auch die Märkte: Investoren stellten sich vorsorglich auf neue Belastungen ein und stießen zuletzt vor allem Bankwerte ab.

Lücken schließen

EU-Kreisen zufolge wollen die Finanzminister zumindest klären, wie die Finanz-Lücken Griechenlands bis 2014 geschlossen werden sollen. Eine Lösung bis 2020 solle später angegangen werden.

Anders als die deutsche Regierung sprechen sich führende Ökonomen in Deutschland für einen Nachlass der öffentlichen Gläubiger Griechenlands aus. "Ein Schuldenschnitt für Griechenland ist unausweichlich", sagte Clemens Fuest, künftiger Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der "Welt am Sonntag. "Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch, wann dieser Schritt kommt."

Der Würzburger Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht das genauso: "Zu einem Schuldenschnitt für Griechenland gibt es keine Alternative", sagte er. "Das ist ähnlich wie bei einem Privathaushalt, der sich übernommen hat. Ohne einen solchen Schnitt wird das Land nicht wieder auf die Beine kommen."

Der Direktors des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, warnt dagegen davor, den Druck zu lockern. Wenn die Schulden reduziert würden, sei aus griechischer Sicht nicht mehr dieselbe Anstrengung nötig, sagte er dem SWR. Dann drohe zudem ein Schneeballeffekt: Auch andere EU-Länder wie Portugal, Spanien oder Italien verlangten dann einen Nachlass als einfachsten Weg aus der Schuldenfalle.

Einbindung der EZB

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) steht einmal mehr im Zentrum der Griechenland-Rettung. So soll die Zentralbank laut Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" stärker eingebunden werden als bisher bekannt. Griechenland finanziert sich nicht zuletzt über sehr kurzfristige Schuldverschreibungen, sogenannte T-Bills.

Derzeit darf die Athener Regierung diese Papiere bis zu einem Volumen von 18 Milliarden Euro herausgeben. Gekauft werden sie meist von griechischen Banken - die sich fast ausschließlich über Notenbank-Nothilfen finanzieren. Deshalb sollte die Höchstgrenze für die T-Bills eigentlich auf 12 Mrd. Euro sinken. Nun wird laut "Spiegel" diskutiert, weiterhin die ursprüngliche Summe von 18 Mrd. Euro zu akzeptieren. So kämen 6 Mrd. Euro zusammen.

Weitere 7 Mrd. solle die EZB direkt beisteuern, heißt es. Schließlich habe die Notenbank griechische Staatsanleihen gekauft, die auf dem Papier 45 Mrd. Euro wert sind. Weil die EZB dafür aber weniger bezahlt hat, entstehe am Ende der Laufzeit ein Gewinn. (APA/Reuters, 18.11.2012)