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In der EU wird mittlerweile mehr Cannabis angebaut als importiert wird.

Foto: EPA/PETER DASILVA

Auf dem Heroinmarkt wird Asien für Investoren interessanter als Europa. Denn die Zahl der neuen Abhängigen in der EU sinkt seit Jahren, beobachtet die "Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht" (EMCDDA). Wurden im Jahr 2007 noch 70.000 neue Patienten in Behandlungsstellen registriert, sind es im Jahr 2010 nur noch 46.000 Menschen gewesen.

Frank Zobel von der EMCDDA sieht zwei Gründe für den Rückgang: Einerseits stieg über die Zeit die Zahl der Heroinfunde durch die Polizei. Andererseits haben sich Substitutionsprogramme durchgesetzt. Das dürfte den EU-Markt für das organisierte Verbrechen uninteressanter machen, dafür steigt die Zahl der Abhängigen im Nahen und Fernen Osten.

"Neue Psychoaktive Substanzen"

Bei der Präsentation des aktuellen Jahresberichts zum Stand der Drogenproblematik in Europa, zu der die EMCDDA Journalisten eingeladen hat, zeigt sich aber ein anderer Trend: Die Zahl der "Neuen Psychoaktiven Substanzen" (NPS) steigt rasant. Wurden im Jahr 2009 noch 24 neue künstliche Drogen registriert, sind es heuer schon 57 Stück. Besonders beliebt: synthetische Cannabinoide - also quasi der künstliche Joint.

Wobei die EU-Agentur die Entwicklung bei Cannabis ein wenig Sorgen bereitet. Denn es ist die einzige illegale Substanz, bei der die Zahl der hilfesuchenden Patienten steigt. Das liegt einerseits an vermehrter Zuweisung durch Behörden an Gesundheitsstellen, aber auch die Zahl der schweren Raucher scheint zu steigen. Ein Prozent der 15- bis 34-jährigen Europäerinnen und Europäer zündet sich täglich eine Tüte an.

Mehr Selbstanbau als Import

Ebenso eine neue Entwicklung: Erstmals wurde registriert, dass mehr Cannabis im EU-Raum selbst angebaut als importiert wurde. Der Vorteil für die Händler: Der Profit steigt. Denn durch die kürzeren Distanzen zu den Konsumenten sinkt das Entdeckungsrisiko und damit der Risikozuschlag, die Preise bleiben aber relativ stabil.

Ob eine Legalisierung der Substanz so wie in den US-Bundesstaaten Washington und Colorado mehrheitsfähig wäre, wagt man nicht zu schätzen. Umfragen würden generell zeigen, dass auch junge Erwachsene in der Drogenfrage relativ konservativ sind. Einzig bei Cannabis würde bei jungen Erwachsenen das Verhältnis bei 50 zu 50 liegen, schätzt Zobel.

Anstieg von drogenkranken HIV-Patienten

Ebenfalls nur schätzen können die Experten, wie sich die Wirtschaftskrise auswirken wird. Auffällig ist bisher lediglich, dass in Griechenland und Rumänien die Zahl der drogenkranken HIV-Patienten seit 2011 sprunghaft angestiegen ist, was an der vermehrten gemeinschaftlichen Nutzung von Nadeln liegt. Kürzungen bei Präventionsprogrammen könnte sich in den kommenden Jahren aber negativ auswirken, wird befürchtet. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 16.11.2012)