Finanzprofessor Krahnen warnt vor der Kollision der Regulierungen von Versicherungen und Banken.

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Jan Pieter Krahnen hat im Auftrag der EU-Kommission an der Neuregelung von Europas Banken mitgearbeitet. Er fordert im Gespräch mit Lukas Sustala, dass Geldinstitute neuartige Schulden begeben, damit sie nicht mehr mit Steuergeld gerettet werden müssen.

STANDARD: Der Liikanen-Report zur Bankenreform wurde von der Bankindustrie scharf kritisiert. Markiert er das Ende der Universalbanken in Europa?

Krahnen: Das Investmentbanking und das Kommerzbankgeschäft werden ja nicht wirklich getrennt, auch wenn viele Medien das so geschrieben haben. Wir schlagen vor, das erfolgreiche europäische Universalbankenmodell zu erhalten. Aber das Handelsgeschäft soll ausgegliedert werden, etwa der Eigenhandel. Das ist deutlich weniger, als sich hinter dem Begriff des Investmentbanking verbirgt.

STANDARD: Warum dann dieser Schritt?

Krahnen: Durch die Handelsaktivität werden die Banken komplexer, und das kann bei der Abwicklung der Bank massive Probleme mit sich bringen.

STANDARD: Man versucht also zu verhindern, dass Risiken des Investmentgeschäfts das Einlagengeschäft der Banken infizieren.

Krahnen: Das geht der Liikanen-Bericht an. Das Handelsgeschäft der europäischen Banken ist auch deshalb stark gewachsen, weil es durch die implizite Staatsgarantie des Einlagengeschäfts subventioniert wird. Diese Mischfinanzierung soll nicht mehr für den Handel gelten. Das wird die Komplexität der Institute reduzieren.

STANDARD: In den USA sind hunderte Banken in der Krise abgewickelt worden, in Europa wurden alle aufgefangen. Hätte man auch in Europa mehr Banken in die Pleite schicken sollen?

Krahnen: In den Krisenjahren nach 2007 wurden in Europa alle Banken gerettet, weil man Ansteckungsgefahren fürchtete. Es ist durchaus offen, ob in Deutschland die Gläubiger aller Institute, wie etwa bei der Deutschen Industriebank IKB und der Hypo Real Estate, hätten gerettet werden müssen.

STANDARD: Auch Deutschland ist in dieser Frage nicht konsistent. Bei den Problemen Irlands kämpfte die Regierung dafür, dass die Gläubiger keine Verluste tragen. Im Fall Spaniens fordert sie das Gegenteil.

Krahnen: Es geht darum, wer die betroffenen Gläubiger sind. Wenn Nichtbanken die Papiere halten, ist der Aufschrei eher gering. Doch wenn andere Banken die Anleihen halten, ist der Aufschrei groß, weil man dann wieder eine systemische Krise fürchten muss. Deshalb empfiehlt die Liikanen-Kommission, dass die Banken auch Anleihen begeben müssen, die andere Banken gar nicht halten können. Dieser Selbstbezug im Bankensektor muss aufhören.

STANDARD: Wie kann man diesen Konflikt auflösen?

Krahnen: Wir brauchen die Entwicklung eines neuen Kapitalmarktes für haftendes Bankkapital. Das wären letztendlich nachrangige Anleihen. Schauen Sie in die Schweiz: Die hat de facto die Vorschläge aus dem Liikanen-Report schon umgesetzt, und die beiden Großbanken UBS und Credit Suisse haben einen beträchtlichen Anteil an haftendem Fremdkapital platziert.

STANDARD: Kollidieren diese Vorstellungen nicht mit anderen Regulierungsschritten? Einerseits sollen die Banken mehr Risiko an ihre Investoren abgeben, gleichzeitig werden aber Versicherer als wichtigste Geldgeber gezwungen, deutlich sicherer zu veranlagen.

Krahnen: Absolut. Diese Kollision wird kommen, wenn die Regelwerke umgesetzt werden, also Solvency II und Basel III. Wenn die Versicherungen weniger langfristig investieren dürfen, die Banken sich aber langfristig finanzieren müssen, um glaubwürdig aufgestellt zu sein, passt das schlecht zusammen.

STANDARD: Das Regelwerk Basel III soll auch das Problem lösen, dass viele Banken zu groß sind, um pleitegehen zu können. Diese sollen bis zu 2,5 Prozentpunkte mehr Kapital halten. Ist das genug?

Krahnen: Nein. Gerade für die großen Banken ist die Einführung von Anleihen, die für Verluste herangezogen werden, wichtig. Der Liikanen-Report versucht das auszufüllen, was bei Basel III fehlt. Der wichtigste Punkt: Die Staatsgarantie darf nicht die gesamte Passivseite der Bank schützen. Wenn man so will, führt man für diesen kleinen Teil nachrangiger Anleihen die Marktwirtschaft ein (fünf Prozent der Passivseite wird vorgeschlagen, Anm.), als eine Art Probebühne für die Marktwirtschaft im Bankenbereich.

STANDARD: Welche Konsequenz werden die neuen Regeln für die Banken haben?

Krahnen: Finanz-Intermediation wird teurer werden. Wenn die Subventionierung der Bankenfinanzierung fällt - oder wie vorgeschlagen - zumindest teilweise fällt, wird Kredit damit teurer. Am Ende wird der Bankensektor kleiner sein, und der Trend, dass größere Unternehmen selbst an den Anleihenmarkt gehen und damit die Banken umgehen, wird sich fortsetzen. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 16.11.2012)