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Fundamental-islamische Religionslehrer sind absolute Einzelfälle - trotzdem sollten sie nicht verschwiegen werden.

Foto: AP/Kienzle

Wien - "Homosexuelle sollten verbrannt werden", "Das Schwarze Meer ist die umgedrehte Hölle, in der sie zu Tausenden liegen": Was sich nach mittelalterlichen Schauergeschichten anhört, sind die Ansichten einer islamischen Religionslehrerin, die seit diesem Jahr an einer österreichischen Schule lehrt. Als ich davon erfuhr, konfrontierte ich die Lehrerin mit ihren Aussagen: Sie leugnet sie keinesfalls, möchte jedoch nicht zitiert werden.

Unter den Schülern sahen einige stillschweigend darüber hinweg; ignorierten die menschenverachtenden Aussagen, um sich auf die restlichen, angemessenen Lehrinhalte zu konzentrieren. Andere wollten sich vom Religionsunterricht abmelden, was die Schuldirektion jedoch nur innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Schuljahres erlaubt - eine Regelung, damit die Mindestanzahl der Schüler für den Religionsunterricht nicht unterschritten wird.

Schuldirektion zog keine Konsequenzen

Momentan lehrt die Lehrerin zwei Klassen mit etwa einem Dutzend Schülern. Nur eine von ihnen hat den Vorfall der Schuldirektion gemeldet, die jedoch keine Konsequenzen daraus zog. Die meisten Schüler schweigen - wohl aus einer Mischung von falsch verstandenem Respekt sowie der Angst, dass ihre Religion, die in der Öffentlichkeit ohnehin schon regelmäßig Anschuldigungen ausgesetzt ist, noch weiter durch den Dreck gezogen wird.

In Österreich gibt es rund 430 islamische Religionslehrer, und ich bin mir sicher, dass jene Lehrerin ein Einzelfall ist. Doch wie geht man mit einem solchen um? In Kreisen der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (iGiÖ) weiß man von der Lehrerin, ahnt ihre fundamentalistischen Ansichten, doch möchte sich erst nach einem ausführlichen Gespräch mit ihr dazu äußern. Wahrscheinlich, so heißt es seitens der iGiÖ, habe sie nach ihrem jahrelangen Aufenthalt nahe Mekka, der Geburtsstadt des Propheten Mohammed, das Gespür dafür verloren, was man in einer westlichen Gesellschaft sagen kann.

Angst vor Islam-Hetze

In der Erzdiözese Wien gibt es eine Kontaktstelle für christlich-islamische Begegnung, die sich dem gegenseitigen Verständnis der beiden Religionen verschrieben hat. Leiter Dechant Martin Rupprecht ist bemüht, die Wogen zu glätten. "Extreme Ansichten sind überall zu finden", meint er und empfiehlt mir, die Lehrerin zu fragen, ob sie Homosexuelle persönlich kenne.

Während meiner Recherche merke ich, wie sehr Religionskritik, gerade wenn der Islam involviert ist, immer noch ein Tabu ist. Viele meiner Interviewpartner ziehen ihre Aussagen zurück, aus Angst, ihr Gesicht zu verlieren. Mehrmals werde ich gebeten, diesen Artikel nicht zu schreiben, da so etwas angeblich nicht in die Presse gehöre, ich den Islam in den Schmutz ziehen oder eine Hetze auslösen würde. Mir ist klar, dass in Österreich ein Maß an Islamophobie herrscht, das ungerechtfertigt ist. Doch sollte das mich davon abhalten, auf Missstände hinzuweisen?

Niko Alm: Lehrerin vom Unterricht abziehen

Nur einer meiner Gesprächspartner hält sich mit seiner Meinung nicht zurück: Niko Alm, Vorsitzender der Konfessionsfreien. Ein Großteil der Leute kennt ihn vor allem wegen seines Führerscheinfotos, das ihn aus Protest gegen die Sonderbehandlung von Religionsgemeinschaften mit einem Nudelsieb als Kopfbedeckung zeigt.

Alm sieht keine andere Möglichkeit, als die Lehrerin vom Unterricht abzuziehen und eine Klage nach § 283 wegen Verhetzung in Erwägung zu ziehen. Es komme in Österreich immer wieder zu solchen Fällen, da es den jeweiligen Religionen überlassen werde, ihr Lehrpersonal zu wählen, und eine staatliche Kontrollinstanz fehle. Zu den homophoben Äußerungen der Lehrerin sagt er: "Das ist Aberglaube und Unsinn." (Anna Strümpel, DER STANDARD, 14.11.2012)

Update: Eine Stellungnahme der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich hat uns erreicht. Sie bittet um folgende Richtigstellung:

"Die Antwort der IGGiÖ über die angeblich vorgefallenen Aussagen einer islamischen Religionslehrerin über Homosexuelle sind im Artikel nicht zu Gänze zitiert worden. In der schriftlichen Antwort der IGGiÖ wird nämlich unmissverständlich mitgeteilt, dass derartige Äußerungen seitens der IGGiÖ absolut zu verurteilen sind und nicht im Sinne des Lehrplans geschweige denn als Aussage von LehrerInnen im Unterricht akzeptabel sind - gleich in welchem Unterrichsfach sie fallen. Ebenso wird von Seiten der IGGiÖ klar hervorgehoben, dass in solchen Fällen Untersuchungen eingeleitet müssen und verifiziert werden muss, ob diese Lehrerin diese Aussage tatsächlich getätigt hat - dies ist ein längerer Prozess und es ist die Aufgabe des Schulamtes der IGGiÖ derartige Vorfälle sehr ernst zu nehmen und ernste disziplinare Konsequenzen zu ziehen. Die Aussage: "Wahrscheinlich, so heißt es seitens der iGiÖ, habe sie nach ihrem jahrelangen Aufenthalt nahe Mekka, der Geburtsstadt des Propheten Mohammed, das Gespür dafür verloren, was man in einer westlichen Gesellschaft sagen kann" außerhalb des Kontextes verwendet worden und hatte mit der konkreten Beschuldigung nichts zu tun.

Mittlerweile liegt uns auch eine schriftliche Stellungnahme der betroffenen Lehrerin vor, in der sie kategorisch die Beschuldigungen ablehnt. Die Untersuchungen in diesem Fall sind damit aber noch nicht abgeschlossen."