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"Was machen schon ein oder zwei Wochen für einen Unterschied?"

Foto: apa/CHRISTOPHE KARABA

Brüssel - Die Frauenquote dürfte nun doch kommen: Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, hat am Mittwoch ihren Vorschlag für eine Frauenquote in Aufsichtsräten vorgestellt. Reding sieht vor, dass bei gleicher Qualifikation Mitglieder des unterrepräsentierten Geschlechts - in der großen Mehrheit sind das Frauen - den Job im Aufsichtsrat bekommen. Die Vorgabe soll für Firmen gelten, in denen Frauen oder Männer weniger als 40 Prozent der Posten im Aufsichtsrat haben. Am Mittwoch erklärte Reding in Brüssel, bei der Gleichstellung von Frauen und Männern seien in diesem Bereich in den vergangenen Jahren keine Fortschritte erkennbar gewesen. Deshalb seien gesetzliche Maßnahmen notwendig.

Auch an Sanktionen hat Reding gedacht, denn laut DiplomatInnen drohen Strafen, falls der Auswahlprozess nicht gerecht ist und falls die Unternehmen die 40-Prozent-Quote im Jahr 2020 nicht erreicht haben. Für diesen überarbeiteten Vorschlag soll Reding nun eine Mehrheit in der Kommission haben. Die Pläne brauchen die Zustimmung von Europaparlament und EU-Staaten.

In Ländern wie Belgien, Frankreich und Italien seien kürzlich entsprechende Regelungen eingeführt worden, die erste Erfolge zeigten. "Diese Beispiele machen deutlich, dass zeitlich befristete gesetzgeberische Maßnahmen einen Unterschied bewirken können", so Reding. Der Vorschlag der Kommission werde dafür sorgen, dass Frauen bei der Besetzung von Aufsichtsratspositionen den Vorzug erhalten, wenn sie in diesem Gremium unterrepräsentiert und ebenso qualifiziert wie ihre männlichen Kollegen sind.

"Kämpfen seit 100 Jahren"

Ende Oktober stand die Frauenquote schon einmal auf der Tagesordnung der EU-Kommission, wurde aber vertagt zumal Reding mit ihren Plänen im Kollegium kein Gehör und keine Mehrheit fand. Kämpferisch gab sie sich indem sie ihre KollegInnen erinnerte, dass "wir seit hundert Jahren kämpfen, was machen da ein oder zwei Wochen für einen Unterschied?".

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte die Bedeutung einer ausgewogeneren Besetzung wirtschaftlicher Führungspositionen. Die großen börsenotierten Unternehmen in Europa müssten nun zeigen, dass sie es mit der Gleichstellung von Frauen und Männern ernst meinten. Auf seine Initiative hin habe die Brüsseler Behörde den Anteil weiblicher Kommissionsmitglieder auf ein Drittel angehoben.

"Quote macht Tempo"

Beifall kommt von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). "Die Zeit in Europa ist reif für die Quote", so die Sozialdemokratin via Aussendung. Als nationale Partnerin von Reding habe die Kommission ihre volle Unterstützung. Die Wirtschaft dürfe nicht länger eine frauenfreie Zone bleiben, daher "muss diesem Vorstoß auf europäischer Ebene die Quote in Österreich folgen". Dass die Quote wirkt, zeige sich in staatsnahen Unternehmen.

"Vor gut einem Jahr haben wir uns eine Frauenquote verordnet. Heute können wir sagen, dass schon in der Hälfte aller staatsnahen Betriebe das erste Etappenziel erreicht ist, nämlich 25 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. Das zeigt wieder einmal, die Quote wirkt, die Quote macht Tempo. Sie ist für mich Mittel zum Zweck, denn sie öffnet Türen, die Frauen oft versperrt waren", so die Frauenministerin abschließend.

"Wer nicht hören will ..."

Ähnlich tönt es aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Die Vizepräsidentin und designierte Frauenvorsitzende Sabine Oberhauser stellt fest: "Wer nicht hören will muss fühlen. Das ist offensichtlich auch bei der Gleichstellung von Frauen und Männer in den Aufsichtsräten sowie anderen Führungspositionen in großen Unternehmen notwendig".

Kanzlerin Merkel dagegen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen lehnt die Pläne Redings ab. "Wir sind der Meinung, das muss auf nationaler Ebene geregelt werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Seibert sagte, eine europäische Regelung verletze den Grundsatz der Subsidiarität. Auch gebe es keine europäische Rechtsgrundlage für eine solche Regelung. Die deutsche Regierung sei aber gleichwohl der Auffassung, dass es immer noch zu wenige Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft gebe. Gegen eine verpflichtende Frauenquote von 40 Prozent in der Privatwirtschaft spricht sich auch der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) aus. (APA, red, dieStandard.at 14.11.2012)