Ein Protonenstrahl (links) erzeugt im LHCb-Detektor ein Bs-Meson, das in zwei Myonen zerfällt (violette Linien). Das Ereignis passt gut zu den Vorhersagen des Standardmodells.

Foto: LHCb/CERN

Genf - Die Teilchen, die mit dem Large Hadron Collider (LHC) am Teilchenforschungsinstitut CERN entstehen, existieren in der Regel nur für äußerst kurze Zeit, ehe sie wieder zerfallen. Dabei stehen den Teilchen viele Zerfallsmöglichkeiten offen, von denen einige nur äußerst selten beobachtet werden. CERN-Physiker haben nun den extrem seltenen Zerfall von Bs-Mesonen in zwei Myonen beobachtet - ein Ereignis, das bei einer Milliarde Zerfallsprozessen nur drei Mal vorkommen sollte. Die Resultate stützen das Standardmodell der Physiker und enttäuschen Anhänger der Supersymmetrie.

Am "Hadron Collider Physics Symposium" in Kyoto haben die CERN-Forscher am Montag Daten vorgestellt, die mit einer Sicherheit von mehr als 99,9 Prozent auf den Zerfall eines Bs-Mesons schließen lassen. Mesonen sind instabile Teilchen, aufgebaut aus einem Quark- Antiquark-Paar.

Der Zerfall des Bs-Mesons in zwei Myonen lässt sich im Standardmodell der Teilchenphysiker exakt vorhersagen. "Diese ersten Messungen ergeben einen Wert von 3,2 pro Milliarde, was in sehr guter Übereinstimmung mit der Vorhersage ist", sagte Pierluigi Campana, der Sprecher der LHCb-Kollaboration, in einer Mitteilung des CERN.

Gesundheitstest für das Standardmodell

"Die Messungen waren eine Art Gesundheitstest für das Standardmodell und dieses scheint heute erheblich gesünder zu sein, als es noch gestern war", fügte Campana hinzu. Denn eine Abweichung von der Vorhersage wäre für die Physiker ein Hinweis darauf, dass mit dem Standardmodell etwas nicht stimmt - etwa dass es neue, bisher unbekannte Teilchen geben könnte, wie sie etwa von der Supersymmetrie-Theorie vorhergesagt werden.

Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt die Grundbausteine der Materie und ihre Wechselwirkungen, wie die Universität Zürich in einer Mitteilung schreibt. Doch es beantwortet zahlreiche offene Fragen nicht, wie zum Beispiel die Herkunft der Dunklen Materie oder die grundlegende Beschreibung der Gravitation.

Seltene Zerfälle, wie der jetzt beobachtete, könnten Hinweise auf die Herkunft dieser Phänomene liefern. Viele Modelle der Supersymmetrie sagen indes eine deutlich höhere Zerfallsrate voraus als die jetzt gemessene. Doch der Wert sei noch mit großen statistischen Unsicherheiten behaftet.

"Supersymmetrie liegt im Krankenhaus"

Für die Anhänger der Supersymmetrie ist das neue Resultat ein Dämpfer. "Supersymmetrie ist vielleicht nicht tot, liegt aber nach den jüngsten Ergebnissen sicherlich im Krankenhaus", sagte der am LHCb beteiligte CERN-Physiker Chris Parkes. Sollte die Supersymmetrie als Erklärung für die Dunkle Materie ausscheiden, müssten sich die Wissenschafter nach anderen Alternativen umsehen.

Das "Large Hadron Collider beauty-Experiment" (LHCb) am CERN versucht zu ergründen, warum vom Urknall keine Antimaterie im Universum übrig geblieben ist und was die Natur der Dunklen Materie ist. Es untersucht dazu B-Mesonen, die unter anderem ein Elementarteilchen namens "Beauty Quark" oder "B Quark" enthalten. (APA/red, derstandard.at, 13.11.2012)