Das All unter der Lupe: Eine Medienstation im neuen Meteoritensaal erlaubt tiefe Einblicke, wie etwa in den Aufbau eines Pallasiten. Dieser Stein-Eisen-Meteorit stammt von einem Asteroiden und zeichnet sich durch gelbgrüne Olivinkristalle aus.

Foto: STANDARD/Corn

Ludovic Ferrière, Ko-Kurator der Meteoritensammlung, ist während des Neuarrangements auf einige Überraschungen gestoßen.

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Abgespeckt und mit Medienstationen aufgepeppt, wurde sie im Naturhistorischen Museum in Wien eröffnet. 

Ein Knopfdruck reicht - und schon steuert der Feuerball direkt auf Wien zu. Und nur wenige Sekunden später klafft auch schon ein riesiges Loch in der Mitte Europas - verursacht vom Einschlag eines Meteoriten mit einem Durchmesser von zehn Kilometern. "Sie können die Wiener Innenstadt zerstören oder ganz Ostösterreich, wenn Ihnen danach ist", bietet Christian Köberl an.

Der Direktor des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien spricht vom Impakt-Simulator, einer der Attraktionen, die ab sofort den neu eröffneten Meteoritensaal aufmöbeln sollen. Weil Köberl selbst Impaktforscher ist, lag ihm besonders viel an der Neugestaltung der ältesten Meteoritensammlung der Welt, deren Grundstein(e) Mitte des 18. Jahrhunderts gelegt wurde. Innerhalb von knapp einem Jahr wurden die überfrachteten Vitrinen radikal ausgemistet und renoviert, die Wandkästen ganz entfernt. Stattdessen geben nun bunte Tafeln und Medienstationen einen Überblick über Meteoritenschauer, Mond- und Marsmeteoriten, chemische Elemente und die Entstehung des Sonnensystems.

Außerdem gibt es nun eigenen Platz für "österreichische" Meteoriten. Dort wird erstmals der jüngste auf heimischen Boden gefundene Meteorit namens "Ischgl" der Öffentlichkeit präsentiert. Auch wenn Patriotismus fehl am Platz scheint angesichts der Steine, die mit einem Alter von 4,5 Milliarden Jahre etwa so lange wie die Erde selbst existieren - wenn es darum geht, über welchem Territorium die Brocken vom Himmel fallen, wird es brenzlig. So geschehen 2002, als der Meteorit Neuschwanstein über deutsch-österreichischem Grenzgebiet die Erde erreichte und in der Folge ein Rechtsstreit über die nationale Zugehörigkeit eines Brockens entbrannte.

Dies wiederum veranlasste einen Tiroler, einen verdächtigen Stein, den er 1976 bei einer Bergstraße aufgelesen hatte, überprüfen zu lassen. 2008 schließlich stand fest: "Ischgl", ein faustgroßer mattschwarzer Stein der Gattung "Gewöhnlicher Chondrit" ist der siebte, eindeutig österreichische Meteorit. Nun sind Exemplare aller sieben Austro-Funde vereint. Sie befinden sich gleich neben zwei seltenen "fossilen" Meteoriten, die bereits vor 470 Millionen Jahren in flaches Meerwasser im heutigen Südschweden fielen und nun erstmals ausgestellt werden.

Insgesamt sind nun statt 2200 "nur" mehr 1240 Meteoriten und Impaktgesteine der mehr als 7000 inventarisierten Objekte zu sehen - was die Schau aber noch immer zur weltweit größten öffentlich zugänglichen macht. Ludovic Ferrière, Kurator der Gesteinssammlung, kennt sie alle. Wochenlang hat er sie gedreht und gewendet und in den historischen Vitrinen unter LED-Licht neu angeordnet. Wurden die Besucher früher förmlich erschlagen von der Fülle der aus dem Weltraum herabgestürzten Stein- und Eisenmassen, so tritt jetzt die Vielzahl an Varianten und Formen deutlich zutage.

"Wir haben während der Neugestaltung auch einige Entdeckungen gemacht", erzählt Ferrière. So ist auf der Rückseite von "Lime Creek", der 1834 in Alabama gefunden wurde, eine Botschaft in spiegelverkehrter Kurrentschrift eingraviert - sie muss erst entziffert werden. Viele der in den letzten 30 Jahren angekauften Meteoriten schlummerten jahrelang in den Depots, andere besondere Stücke kamen einfach nicht zur Geltung, so wie ein Steinchen von "Chassigny", dem ersten erwiesenen Meteoriten vom Mars.

Die meisten außerirdischen Steine stammen aus dem Asteroidengürtel, wurden durch Zusammenstöße in die Erdatmosphäre geschleudert und geben Einblick in die Anfänge des Universums. Es gibt winzige Kiesel und tonnenschwere Kolosse, runde und eckige in allen Schattierungen von Schwarz bis Beige, aber auch hübsche Objekte mit gläsernen Einschlüssen in leuchtenden Farben. Manche haben ein Leopardenmuster, andere sehen aus wie kleine Fußbälle, ein paar haben eine glatte, spiegelnde Schnittfläche oder zeigen die regelmäßigen Muster in ihrem Inneren.

Gönner gesucht

Das Wissen über die Boten aus dem All können die Besucher nun auch mit einem Quiz, zahlreichen Infoclips und Meteoriten zum Anfassen vertiefen. Die Umbaukosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro wurden zur Gänze aus der Erbschaft des Gönners Oskar Ermann bezahlt - ebenso wie der kürzliche Ankauf des 400.000 Euro-Marsmeteoriten Tissint, der nun einen Spezialplatz einnimmt. Erste Ergebnisse über die isotopische und chemische Zusammensetzung sollen im Frühjahr vorgestellt werden.

"In den letzten zehn Jahren hat es kaum Spender gegeben", bedauert Ferrière. Er hätte schon ein neues Objekt im Visier: Ein zwei Kilo schweres Stück Mond. Kostenpunkt: 550.000 Euro. "Angebote sind jederzeit willkommen." (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 14.11.2012)