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Der Gartenflüsterer interveniert und fragt nun, was denn konkret der Frost für den Gärtner und die Engelstrompeten bedeuten würde.

Foto: APA/Horst Ossinger

Der Coach der Gartenflüsterer GmbH hört die Glocke und öffnet dem Gärtner die Tür. Ein paar freundliche Worte, man kennt einander bereits, gespannt hört der Coach, was der Gärtner denn für ein Anliegen hat. Und der fängt auch gleich mit einem Seufzer an. Er schüttelt den Kopf, schaut besorgt drein und seufzt erneut und deutlich hörbar. Der Flüsterer fragt, was denn in ihm vorgehe, woran er gerade denke, da fängt das Lamento des Gärtners auch schon an.

Die ganze Welt beneide ihn für seine Engelstrompeten. Er wäre der einzige Gärtner auf Erden, der eine Engelstrompetenhecke zurechtschneiden und -ziehen konnte. Und riechen könnte man die blühenden Wunder schon am Gersthofer Platzl, zehn Gehminuten entfernt. Aber jetzt, mitten in der schönsten Blüte, scheint alles den Bach runterzugehen. Da fragt der Gartenflüsterer, warum denn alles den Bach runtergehen soll. Und sofort antwortet der ins Narrenkastl starrende Gärtner: Es ist der Frost. Sie hätten für die kommenden Tage Frost angesagt.

Delikates Thema

Frost, um diese Jahreszeit, das darf doch nicht wahr sein, echauffiert sich der Gärtner. Der Gartenflüsterer interveniert und fragt nun, was denn konkret der Frost für den Gärtner und die Engelstrompeten bedeuten würde. Da entsteht langes Schweigen. Der Gartenflüsterer hält das Schweigen aufrecht, er sieht, wie es im Gärtner förmlich arbeitet, und möchte diesen Prozess nicht unterbrechen. Der Gärtner atmet laut und langsam aus, um dann mit einem "Wenn ich das wüsste" zu überraschen. Er hat längst alle Internetsuchmaschinen mit den Begriffen Datura, Frostresistenz, Überwintern gefüttert und in den unterschiedlichsten Foren unterschiedlichste Angaben gefunden.

Die einen behaupten, so jammert er, dass ein wenig Frost gar nichts ausmache. Andere wiederum können sehr gut herleiten, dass bereits der erste frostige Wind den Pflanzen die Zukunft nehmen würde. Englische Spezialseiten sollten ihm Auskunft geben, aber selbst dort wird zu diesem delikaten Thema rumgeeiert, dass es nur so eine Schande ist.

In die Garage, wie jedes Jahr

Der Gärtner läuft Gefahr, in ein sich perpetuierendes Lamento abzudriften. Der Coach fragt daher, welche Möglichkeiten der Gärtner denn habe, wenn der Frost kommt. Die Antwort war gleich da: "Ausgraben und in die Garage schleppen, wie jedes Jahr ...". Und auf die Frage, ob das dieses Jahr auch infrage komme, meint der Gärtner nur, dass Anfang November einfach zu früh sei, um die Engelstrompeten einzuwintern. Er möchte bis tief in den Dezember hinein die tropischen Pflanzen draußen stehen lassen.

Auf die Frage, was er sich davon erwarte, klärt der Gärtner auf, dass jeder Tag mehr im Freien und weniger in der Garage den Pflanze guttue. Und dass er auf seine gerade in voller Blüte befindliche Hecke ebenso wenig verzichten wolle. Ob er denn eine Vorstellung habe, welche Temperaturen Engelstrompeten aushalten könnten, will der Coach wissen. Und wieder Stille.

Schneelast bedeutet die größere Gefahr

Soviel ich weiß, flüstert der Klient, stammen die Daturas aus den Anden, wo sie zwischen 2000 und 3000 Metern Höhe leben. Angeblich könnten sie sogar einige Minusgrade vertragen. Und wenn es tatsächlich nur zwei Grad minus in den kommenden Nächten haben sollte, dann müssten die gut ausgewachsenen, ja baumartigen Engelstrompeten eigentlich durchkommen.

Was denn geschehe, wenn es doch fünf oder sechs Grad unter null haben wird, wollte der Coach dann wissen. "Ganz einfach", sagte der hörbar erleichterte Gärtner, dann frieren jene grünen, weichen Triebe ab, die ich vor dem Einstellen so und so abschneiden müsste. Eine eisige Nacht allein würde also keinen Schaden bedeuten. Nun wusste der Gärtner, was er tun wird: Er wird den ersten Novemberfrost ignorieren, auf dass die Engelstrompeten noch gute sechs bis acht Wochen Plusgrade zum Abhärten im Freien haben.

Was er noch nicht wusste: Die Schneelast bedeutet die weitaus größere Gefahr für die leicht brechenden Trompetentriebe. Aber dazu ein anderes Mal, wenn es um Trauerarbeit geht. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 16.11.2012)