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Vor 200 Jahren fand in Leipzig die Völkerschlacht statt, 100 Jahre später, 1913, wurde das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht.

Eine Frage wie ein Achselzucken: "Was bedeuten für mich 200.000 Mann?". Ein Stilmittel, eine Zierde zum Abschluss eines kurzen Exkurses über die manchmal gegebene Notwendigkeit "das eigene und fremdes Leben zu verachten". Dass er es nicht bei bloßer Rhetorik belassen würde, hat Napoleon schon vor dieser Aussage, getätigt im Mai 1813 gegenüber Fürst Metternich, bewiesen.

Kein halbes Jahr später standen sich die Alliierten Österreich, Preußen, Russland und Schweden und die mit Sachsen verbündete Napoleonische Armee in einer in seinen Blutrausch-Dimensionen bisher ungekannten Schlacht gegenüber: bis zu 600.000 Mann waren in Stellung gebracht, ein Sechstel davon verreckte heldenhaft, die französische Armee unterlag.

Doppelgedenkjahr 2013

Was das alles für Gegenwart und Zukunft zu bedeuten hat, fragt sich Leipzig angesichts des 2013 anstehenden Doppelgedenkjahres: Vor 200 Jahren fand hier die Völkerschlacht statt, 100 Jahre später, am 18. Oktober 1913, wurde das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht.

An einem sonnenmilden Herbstvormittag 2012 schauen wir auf dieses Denkmal, das mahnen sollte, das vor allem aber bedrückt mit seinen zwölf übermenschlichen, germanisch-mythischen "Freiheitswächtern" an der Frontseite. Ein Ungetüm, das "die meisten wohl nicht unbedingt im Vorgarten stehen haben wollen", wie es Steffen Poser, Leiter der Anlage, ausdrückt. Nach 1945 nur notdürftig saniert, betreiben ein privater Förderverein, die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen seit 1998 die intensive Restaurierung, um das wiederhergestellte Denkmal nächstes Jahr in einem symbolischen Akt der Öffentlichkeit übergeben zu können.

Derart in neuen Glanz gesetzt, wird es auch einem Aktions-Theater Kulisse sein: "Imagine Europe", in Szene gesetzt von der Gruppe Titanick und dessen Leiter Uwe Köhler, will effektvoll die Geschichte Europas nach der Völkerschlacht erzählen: vom Wiener Kongress als "Schacherei um Europa", vom Immer-schneller-Wahn der Industrialisierung und von einem Europa, das sich in der Welt bedient, als wär's ein "Kolonialwarenladen".

Erprobtes Konzept bewegter Panoramen

Der Künstler Yadegar Asisi setzt zudem auch in Leipzig auf sein mehrfach erprobtes Konzept bewegter Panoramen: Das Innere eines ehemaligen Gasometers wird rundum bespielt mit einer Kombination aus gezeichneten Skizzen und bis zu 50.000 Fotomotiven, die Szenen aus dem Treiben in Leipzig während der Völkerschlacht darstellen. "Panometer" nennt sich diese Installation.

In Rötha, einer kleinen Gemeinde unweit von Leipzig, steht auf einer betonierten Fläche, die nur mehr einen Grundriss nachzeichnet und einzig eine Erinnerungsstele in der Mitte hat, Christian Steinbach, ehemaliger Landesdirektionschef von Leipzig sowie ehemals Pfarrer von Rötha.

Er referiert über jenes Schloss, das 1813 Hauptquartier der Allianz gegen Napoleon war und 1969 der DDR-Erinnerungspolitik zum Opfer fiel: weg damit, weg mit allen Spuren des Feudalismus. "Nachhaltig beschädigt" sei die Seele der Stadt dadurch geworden, sagt Steinbach. Zumindest das rekonstruierte "Allianzzimmer", jener Raum, in dem 1813 wesentliche Entscheidungen getroffen wurden, soll nächstes Jahr präsentiert werden.

"Kriegsspielerei"

"Lebendig" wird Geschichte auf den Feldern um Leipzig aber auch durch die seit 1980 jährlich stattfindenden historischen Schlachtnachstellungen. Mehr als 1500 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern nahmen dieses Jahr daran teil, über 3000 werden nächstes Jahr erwartet. Hier sollte denn auch vermieden werden, von "Kostümen" zu sprechen - "Uniformen", heißt es, wird man umgehend korrigiert.

Enthusiasmus, der manchem befremdlich erscheint und von einigen Seiten als "Kriegsspielerei" bezeichnet wird, ist allerdings die Voraussetzung dafür, dass etwa ein junger Mann Mitte zwanzig 3.000 Euro aus eigener Tasche in seine standesgerechte Uniform der "Russischen Jäger" steckt.

"Geschichte zum Anfassen", nennt er das und hebt, wie auch eine "Marketenderin" oder ein "französischer Brigadeoffizier", die "Lagerfeuerstimmung" als wesentlichen Motor der gemeinsamen Tätigkeit hervor. Immerhin: Heute sind das gewissermaßen multinationale Lagerfeuer. (Konstantin Teske, DER STANDARD, Rondo, 16.11.2012)