Die Natur ist unbarmherzig. Es gibt unzählige Krankheiten, die den Menschen gefährlich werden. Es ist legitim, sich gegen diese Bedrohungen zu wehren. Gefragt ist dann Forschergeist. Die Ursache von Erkrankungen entdecken, Gegenmittel finden, testen, ob diese Wirkstoffe tatsächlich helfen und keinen Schaden anrichten: Vieles davon wird in Tierversuchen geklärt. Es geht nicht darum, zu quälen, sondern das Überleben der Spezies Menschen zu verstehen und auf lange Sicht zu verbessern.

Viele Fragen zum menschlichen Leben sind ungeklärt, und die Wissenschaft erhofft sich Antworten aus der Genforschung. Die Genome von Maus und Mensch sind zu 98 Prozent ident, es liegt also auf der Hand, an Tiermodellen weiterzuforschen. Klar, Mäuse sind Lebewesen, aber wäre es den Tierversuchsgegnern lieber, Menschen würden zu Versuchsobjekten gemacht werden, und wenn ja, welche bitte?

Zudem sind Wissenschafter ja ohnehin auch verpflichtet, sich an Vorgaben des Tierschutzes zu halten, sprich: nicht sinnlos zu quälen. Tierschützer, die das Thema ernst nehmen, dürften, wenn sie krank sind, auch keine Medikamente einnehmen, sondern müssten sich ihrem Leid kampflos ergeben. Nur so wäre gewährleistet, dass kein Tier an einer potenziellen Heilung zu Schaden kommt. Also lieber sterben? So unbarmherzig ist die Natur. (Karin Pollack, DER STANDARD, 14.11.2012)