Eva Glawischnig: "Ich war aber als Studentin immer in Mietwohnungen und habe zum Teil auch ohne heißes Wasser gelebt. Meine Miete war vermutlich damals schon überhöht. Aber das ist eben das Problem: Wenn der Markt knapp ist, zahlen die Leute Preise, die sie unter anderen Bedingungen nicht zahlen müssten."

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Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig begrüßt den Vorstoß ihrer Parteikollegin Maria Vassilakou zu niedrigeren Mietpreisen. Das Thema betreffe schließlich nicht nur Wien, sondern auch viele andere Städte. Auf eine Mietobergrenze von sieben Euro will sich Glawischnig jedoch nicht festlegen. "Aber dass es günstiger werden soll als jetzt, ist unbestritten."

derStandard.at: Was sagen Sie zum Vorstoß Ihrer Parteikollegin Maria Vassilakou, die Mieten in Wien bei maximal sieben Euro pro Quadratmeter festzusetzen?

Glawischnig: Maria Vassilakou legt hier den Finger vollkommen zu Recht auf eine Wunde. Das Problem ist uns auf Bundesebene ja sehr bekannt. Das ist ein jahrelanges Blockadethema von SPÖ und ÖVP, wo jede Reform bisher verhindert wurde. Das Mietrechtsgesetz ist extrem intransparent und unübersichtlich. Deshalb fordern wir auf Bundesebene ein neues, einheitliches Mietrecht, wo natürlich die Frage leistbarer Preise im Mittelpunkt steht. Das betrifft aber nicht nur Wien, sondern viele andere Städte, wo die Preise im privaten Bereich explodieren.

derStandard.at: Es geht laut dem Wiener SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig um fünf Prozent frei vereinbarte Mietzinse.

Glawischnig: Es geht immer um das gesamte Mietrecht. Wenn man eine wirklich große Reform machen will, muss man sich alles anschauen: vom Richtwertmietzins über den angemessenen Mietzins bis zum freien Markt.

Was mir am Herzen liegt: Es sind Mittelschichts- oder Jungfamilien, die die Mietenexplosion trifft. Das kann einer ÖVP ja auch nicht egal sein. Die, die Anspruch auf soziale Unterstützung haben, und die, die ein hohes Einkommen haben, trifft es weniger. Jungen Familien, die knapp zu viel verdienen, um Förderungen zu bekommen, fressen die Wohnungskosten die Hälfte des Nettoeinkommens auf.

Allein das Mietrechtsgesetz wird die Misere aber auch nicht beseitigen können, es braucht natürlich auch Wohnungsneubau. Wenn man in Wien zwischen 6.000 und 8.000 Wohneinheiten pro Jahr braucht, muss man den Wohnraum auch schaffen, was Wien tut. Sonst hilft die ganze Mietkostenbegrenzung nichts, denn dann nehmen die Leute trotzdem das, was sie kriegen können, und zahlen mehr, als die Wohnung wert ist. Die Verknappung ist das größte Problem für die Verteuerung.

derStandard.at: Unterstützen Sie die Begrenzung auf sieben Euro, wie es die Wiener Vizebürgermeisterin fordert?

Glawischnig: Das war der Diskussionsbeitrag von Maria Vassilakou. Unser Modell geht in Richtung eines Grundbeitrages mit klar definierten Zuschlägen und Abschlägen. Da muss man natürlich noch Feinjustieren. Aber dass es günstiger werden soll als jetzt, ist unbestritten.

derStandard.at: Sollen die sieben Euro in die Wiener Volksbefragung hineingeschrieben werden?

Glawischnig: Was in der Wiener Volksbefragung Thema wird und was nicht, da möchte ich mich nicht einmischen. Wir werden jedenfalls zu diesem Bundesgesetz im Parlament einen neuerlichen Vorstoß unternehmen.

derStandard.at: Auf Bundesebene werden sie die Sieben-Euro-Forderung nicht anwenden?

Glawischnig: Dass das politisch gewünscht ist, das teile ich. Das Mietrecht ist aber eine extrem komplexe Angelegenheit, wo man verfassungsrechtliche Grenzen bedenken muss. Aber der sozialpolitische Anspruch, dass das Wohnen leistbar sein muss, muss gegeben sein. Hier gibt es schließlich auch eine lange Tradition des Gesetzgebers. Mit dem Kategoriemietzinssatz gab es ja auch so etwas wie Obergrenzen im Altbau.

derStandard.at: Noch einmal zu den sieben Euro: Die sind Ihnen zu plakativ?

Glawischnig: Nein, aber wir müssen ein Modell entwickeln. Eine gesetzliche Grundlage, dass man in diese Richtung kommt. Welche Zahl da letztendlich herauskommt, hängt vom gewählten Modell ab. Das kann auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein. Aber: Es war hoch an der Zeit für den Vorstoß, der punktgenau gekommen ist.

derStandard.at: Ein populistischer Anschieber für eine Debatte?

Glawischnig: Das war das Gegenteil von Populismus: das Ernstnehmen der Lebensprobleme der Menschen. Im Gegensatz zum Gefasel der ÖVP von der Familienpartei: Die Familien sind das höchste Gut, die Familien, die Familien, die Familien. Dann sollen sie sich einmal anschauen, welche Probleme die Familien haben. Das sind in erster Linie die Schulen, Betreuungsmöglichkeiten am Nachmittag und eben das Wohnen.

derStandard.at: Für eine Mietrechts-Änderung wird es höchstwahrscheinlich nötig sein, die ÖVP ins Boot zu holen. Die Volkspartei findet den Vorschlag von Vassilakou aber kommunistisch.

Glawischnig: Es hat über viele Jahre Obergrenzen gegeben. Es gibt nach wie vor mit dem Katogoriezins so etwas wie eine Obergrenze. Das war immer ein absolut regulierter Bereich, der dem Mietrecht nicht neu ist. Ich würde mir von der ÖVP clevere Lösungen wünschen, keine Rechts-links-Einordnungen.

derStandard.at: Rücken die Grünen nach links?

Glawischnig: Wohin wir auch immer rücken, wir rücken zu den Menschen. Ich finde es wichtig, dass man sich der Lebensrealität der Menschen stellt. Mit der Frage, ob das jetzt links oder Mitte oder bürgerlich ist, wird kein einziges Problem gelöst.

derStandard.at: Haben Sie selbst eine Miet- oder Eigentumswohnung?

Glawischnig: Wir haben eine Wohnung gekauft und haben einen sehr großen Kredit abzuzahlen. Ich war aber als Studentin immer in Mietwohnungen und habe zum Teil auch ohne heißes Wasser gelebt. Meine Miete war vermutlich damals schon überhöht. Aber das ist eben das Problem: Wenn der Markt knapp ist, zahlen die Leute Preise, die sie unter anderen Bedingungen nicht zahlen müssten. (Rainer Schüller, derStandard.at, 13.11.2012)