Bild nicht mehr verfügbar.

Ismail Khan ruft seine Anhänger zur Bewaffnung auf.

Foto: AP/Sadeq

Herat - In seiner Heimatstadt Herat sprach Ismail Khan aus, was die afghanische Regierung und die westlichen Alliierten vermeiden wollten: Eine der mächtigsten Personen der Mudschaheddin rief seine tausenden Anhänger auf, sich neu zu organisieren und zu bewaffnen. Das Land sollen sie gegen die Taliban verteidigen, forderte Khan. Erste Anzeichen eines erneuten Bürgerkriegs also, und damit macht er zunichte, was in den letzten Jahren aufgebaut worden ist. Die Hoffnungen auf Stabilität im Land sinken damit zusehends. 

"Wir sind für die Sicherheit des Landes verantwortlich, und wir lassen nicht zu, dass es noch einmal zerstört wird", erklärte Khan danach bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Kabul. Momentan bekleidet er das Amt des Energieministers in der Regierung von Präsident Hamid Karzai. Davor aber, in den 1980er Jahren, war er eine der führenden Kräfte der Mudschaheddin im Krieg gegen die Sowjetunion. In den 1990er Jahren widmete er sich unter anderem als Gouverneur der Westprovinz Herat dem Kampf gegen die Taliban. Nachdem diese aber seine Heimatstadt einnahmen, musste er in den Iran fliehen. Nach dem Fall der Taliban 2001 kehrte er als Gouverneur von Herat zurück, um schließlich von Karzai 2004 in sein Kabinett geholt zu werden. 

Dieser Schritt wurde als Zeichen der Einheit gewertet, in der Regierung sollten alle wichtigen Kräfte des Landes vertreten sein. Nun aber scheint Khan wieder seinen eigenen Weg gehen zu wollen, und die Misstöne in der Regierung nehmen folglich zu. Karzais Pressesprecher Aimal Faizi stellt klar: "Die Äußerungen von Ismail Khan spiegeln nicht die offiziellen Ansichten der afghanischen Regierung wider." Die Regierung und auch die afghanische Bevölkerung, so Faizi weiter, wollen keine unverantwortlichen Streitkräfte haben, die außerhalb der offiziellen Militärstrukturen agieren.

"Leute wie Ismail Khan riechen Blut"

Auch aus dem Parlament kommt Kritik an Khans Aussagen, wie die "New York Times" berichtet. Man befürchtet, dass die Warlords sich auf den Rückzug der US-Truppen im Jahr 2014 vorbereiten. Denn "Leute wie Ismail Khan", befürchtet etwa Senatorin Belqis Roshan, "riechen Blut. Wenn die ausländischen Streitkräfte das Land verlassen, dann glauben sie, einen Bürgerkrieg starten zu können. So wollen sie ihre Rivalen erledigen und reich werden." 

Leute wie Ismail Khan, denn er ist nicht der einzige der früheren Mudschaheddin, der entsprechende Vorbereitungen trifft. Auch der prominente Kämpfer Ahmad Zia Massoud hat seine Anhänger aufgefordert, sich auf mögliche Konfliktszenarien einzustellen: "Jeder will einen Plan B haben."

Khan relativiert Aussagen

Mit solchen Aussagen werden die umstrittene Regierung in Kabul und die sich immer noch im Aufbau befindliche Nationalarmee weiter geschwächt. Auch wenn Khan seinen Aufruf nicht als Kritik an den offiziellen Strukturen verstehen will: "Es gibt Regionen im Land, in denen die offiziellen Streitkräfte keinen Zugriff haben. Dort können die lokalen Kräfte einschreiten und das Land verteidigen." Die Mudschaheddin sollen mit der Armee und mit der Polizei zusammenarbeiten, wünscht er sich: "Wir rebellieren nicht gegen diese Regierung. Wir haben 30 Jahre lang dafür gekämpft, dass wir sie bekommen, und wir werden nicht zulassen, dass sie stürzt."

So oder so, die Angst, dass die Warlords nach dem Rückzug der US-Truppen wieder die Kontrolle im Land zurückerobern möchten, bleibt. (red, derStandard.at, 13.11.2012)