David Ellensohn: "Eine ganze Menge Vermieter verlangt zu viel Geld."

Foto: STANDARD/Corn

David Ellensohn ist als Klubchef der Wiener Grünen auch für den Bereich Wohnen zuständig. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt er, warum der Vorschlag seiner Chefin Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die Mieten auf sieben Euro pro Quadratmeter zu beschränken, nicht populistisch ist und wie die Stadt leer stehende Häuser günstig weitervermieten könnte.

derStandard.at: Maria Vassilakou hat gefordert, dass die Mieten höchstens sieben Euro pro Quadratmeter kosten sollten. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Für welche Wohnungen soll das gelten?

Ellensohn: Vergangene Woche habe ich eine Aussendung zu dem Thema gemacht. Ich habe gefordert, dass über die zu hohen Mieten, das Mietrecht und über die Zuschläge diskutiert werden muss. Das hat exakt niemanden interessiert. Der Versuch, die Diskussion einfach anzufangen, ist gescheitert. Dass die Wohnungskosten im privaten Bereich explodieren, ist aber eine Tatsache, und so mussten wir uns überlegen, wie wir für diese wichtige Frage Aufmerksamkeit bekommen.

derStandard.at: Was stört Sie konkret?

Ellensohn: In den Genossenschaften und Gemeindebauten haben wir eine Mieterhöhung, die bei der Inflationsrate liegt, also bei 20 Prozent in den letzten zehn Jahren. Im privaten Wohnungssektor gab es im selben Zeitraum eine Erhöhung von 40 Prozent.

Wieso müssen die Privaten doppelt so teuer werden? Und alleine, dass das Mietrechtsgesetz sagt, alles, was vor 1953 erbaut wurde, ist alt, und alles andere ist neu, und somit eine Vielzahl der Vermieter ausnimmt, ist untragbar.

derStandard.at: Also diese sieben Euro pro Quadratmeter waren einfach nur ein Vorstoß, um Aufmerksamkeit für das Thema zu gewinnen?

Ellensohn: Diskutieren wir doch einmal, was angemessen ist für eine 70 Quadratmeter große Wohnung am Gürtel. Wirklich sieben Euro plus Zuschläge in jeder Straße? Das glaube ich nicht. Es leuchtet auch allen ein, dass sich das Loft am Dachboden um diesen Preis nicht ausgeht. Wo soll eine Familie, die das zweite Kind bekommt, in Wien wohnen? Nachdem nicht alle in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung wohnen können, sondern der Großteil auf private Wohnungen angewiesen ist, muss es hier zu Änderungen kommen.

Es geht nicht, dass die Leute die Hälfte ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen aufwenden müssen. Wohnen muss wieder leistbar werden. Das Thema birgt politischen Sprengstoff. Wenn ich zuhöre, wie die ÖVP darüber redet und Diskussionen reflexartig ablehnt, dann muss ich daraus schließen, dass das dieser Partei egal ist.

derStandard.at: Wollen Sie auch für die privaten, frei finanzierten Wohnungen Mietzinsobergrenzen?

Ellensohn: Wir müssen darüber reden, ob Wohnen so ein Gut ist wie etwa Urlaubsreisen. Urlaubsreisen haben ihren Preis, und man überlegt sich, ob man wegfährt oder nicht. Aber müssen wir nicht alle wohnen? Ist das nicht ein Grundrecht? Sollten wir nicht darüber nachdenken, wie wir es schaffen, dass alle eine leistbare Wohnung haben und dass eine Familie in einer leistbaren Wohnung sitzt? Oder ist es wichtiger zu überlegen, wie viel Rendite man erzielen kann, wenn man Investor ist? Mir geht es nicht um die Rendite, sondern darum, dass die Menschen wohnen können, ohne dabei arm zu werden.

derStandard.at: Wie wollen Sie also die überhöhten Mieten abstellen?

Ellensohn: Erstens verlangt eine ganze Menge Vermieter zu viel Geld. Die Mietervereinigung oder Mietzinsrechner im Internet können alle Mieter konsultieren und dort schauen, ob sie vom Vermieter ausgenommen werden. Hunderttausende Euro an zu hoher Miete werden jedes Jahr erstritten. Außerdem haben wir Fantasiezuschläge, die durchforstet gehören. Wir bauen mit öffentlichen Geldern U-Bahnen, und die Mietpreise in diesen Gegenden explodieren plötzlich. Dafür hat der Hausbesitzer aber nicht viel geleistet. Das Mietrechtsgesetz muss für alle gelten und insgesamt neu aufgestellt werden.

derStandard.at: Die SPÖ hat signalisiert, aufgeschlossen für eine Volksbefragung zum Thema Wohnen zu sein. Wie könnte diese Frage aussehen?

Ellensohn: Das werden wir mit der SPÖ diskutieren und rechtzeitig bekanntgeben. Die Volksbefragung wird vermutlich gegen Ende des ersten Quartals stattfinden. Wir haben ja noch beträchtlich Zeit. Ziel ist, dass die Leute am Ende mehr leistbare Wohnungen haben.

derStandard.at: Investiert die Stadt Wien genug in den sozialen Wohnraum?

Ellensohn: Ja, im Vergleich zu den anderen Bundesländern schon. Wir haben aber ein Bevölkerungswachstum zwischen 17.000 und 20.000 Personen pro Jahr. Für sie leistbare Wohnungen aufzustellen ist wirtschafts- und sozialpolitisch notwendig.

derStandard.at: In Wien gibt es auch ungenutzten Wohnraum. Andere Städte haben Konzepte entwickelt, diesen zu nutzen.

Ellensohn: Es gibt unterschiedliche Zahlen über die Leerstände, sie liegen zwischen 80.000 und 8.000 Wohnungen. Man müsste sich anschauen, wie viel man davon schnell zur Verfügung stellen könnte. Ich bin ein Anhänger des holländischen Modells. Wenn jemand glaubt, mit Wohnraum nur spekulieren zu müssen, und Häuser leer stehen lässt, dann gehört das abgestellt. Wohnraum, der ganz offensichtlich absichtlich über Jahre hinweg leer steht, gehört schneller nutzbar gemacht.

derStandard.at: Was haben Sie sich dazu überlegt?

Ellensohn: Da gibt es unterschiedliche Modelle in Europa. Sie sind alle schwer umzusetzen. Es gab zum Beispiel Leerstandsabgaben. Oder man saniert leer stehende Häuser, die dann zwar im Eigentum des Besitzers bleiben, von ihm aber nicht vermietet werden dürfen. Vermieten dürfte dann nur die Stadt. Aber sobald man in das Eigentum eingreift, schreien die Konservativen. Doch Eigentum verpflichtet, und Wohnraum ist nicht zum Horten da. In dieser Frage kann man die ÖVP und die FPÖ einmal mehr vergessen.

derStandard.at: Geht es nach Ihnen, würden Sie ein solches Modell durchsetzen?

Ellensohn: Mir gefällt alles besser, wo es am Ende heißt: Die Wohnungen stehen nicht leer, sondern es wohnen glückliche Menschen darin.

derStandard.at: Sie haben eingangs gesagt, die Vizebürgermeisterin habe die sieben Euro ins Spiel gebracht, um die Debatte anzukurbeln. Ist das grüner Populismus?

Ellensohn: Ich finde, über Wohnraum zu reden ist nicht Populismus, sondern dringende Sachpolitik. Wenn wir nicht rechtzeitig darauf achten, haben wir am Ende einen Engpass, den wir nicht mehr bewältigen können. Unsere Aufgabe ist es, in die Zukunft zu schauen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 12.11.2012)