Auch wenn einem der einheitlich farblose Anblick antiker Plastiken vertraut ist, einen Originalzustand geben sie damit meist nicht wider - im Gegenteil: Viele klassische Statuen und Reliefs von Göttern, Heroen und Mythengestalten waren ursprünglich außergewöhnlich bunt. Am Dienstag eröffnet das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) eine Rekonstruktionsschau, die anhand von 14 Beispielen demonstriert, wie farbig die antiken Skulpturen einst tatsächlich waren.

Im Bild: Marmor-Grabfigur der Phrasikleia aus Myrrhinous (heute Merenda, Attika, Griechenland), um 550/540 vor unserer Zeit.

Foto: München, Stiftung Archäologie, Vinzenz Brinkmann

So trägt Paris als eine der Figuren der größten Rekonstruktion, eines Gibelabschnitts des Aphaia-Tempels, bunte Karohose zu gelbem Wams mit farbigen Tiermotiven (hier links im Bild). Die Herren aus dem Perserkampf vom Alexandersarkophag (nächstes Bild) sind hingegen in Blutrot, Blau, Gelb oder wiederum mit Karohose gewandet. "Die Rekonstruktionen, die wir präsentieren, sind natürlich Annäherungsversuche", stellte Professor Vinzenz Brinkmann klar, der für die Wanderausstellung verantwortlich zeichnet. Was man zeige, sei aber historisch abgesichert.

Im Bild: Farbig gefasste Teilrekonstruktion des Westgiebels am Aphaia-Tempel von Ägina im Maßstab 1:1, um 500/490 oder nach 480 vor unserer Zeitrechnung.

Foto: München, Stiftung Archäologie, Vinzenz Brinkmann

Obgleich bereits seit den Anfängen der Archäologie bekannt gewesen sei, dass die gefundenen Figuren einstmals bemalt gewesen waren, sei die Forschung nur schleppend angelaufen. "Das Thema wurde auch in der Lehre stiefmütterlich behandelt", so Brinkmann. Erste Ansätze zu einer intensiveren Auseinandersetzung habe es dann in München gegeben. Erst seit zehn Jahren gebe es nun einen wirklich fundierten wissenschaftlichen Diskurs in einem internationalen Forschernetzwerk.

Im Bild: Relief vom Alexandersarkophag: Perserkampf; Original aus der Königsnekropole von Sidon (Libanon), um 320 vor unserer Zeit.

Foto: München, Stiftung Archäologie, Vinzenz Brinkmann

"Es bleiben aber selbstverständlich noch Fragen offen", unterstrich Brinkmann. Das gelte etwa für den genauen Farbabschluss oder immer wieder für einzelne Stellen der Skulpturen, die man noch weiß lasse: "Wenn sich Ihre Seele mit Ihrer Prägung dort ausruht, müssen Sie sich klarmachen, dass das nur ein Zwischenstatus ist."

Im Bild: Sogenannter Perserreiter von der Akropolis in Athen (Griechenland), um 490 vor unserer Zeitrechnung.

Foto: München, Stiftung Archäologie, Vinzenz Brinkmann

Schließlich handle es sich bei den 14 Stationen, die thematisch passend unter die bestehende Antikensammlung gruppiert sind, um "didaktische Modelle", so Kuratorin Karoline Zhuber-Okrog. Auf die Originale, die mehrheitlich aus der Archaik bis Frühklassik (620 bis 450 vor unserer Zeit) stammen, wird im Text und Katalog verwiesen. Bisweilen sind in Wien auch mehrere Farb- und Mustervarianten einer Skulptur zu sehen, wenn es noch keine gesicherte Erkenntnis gibt. Flankiert wird die Ausstellung durch ein Rahmenprogramm, das von Vorträgen zum Thema über Spezialführungen bis hin zu Kinderangeboten reicht.  (APA/red, derstandard.at, 12.11.2012)

Im Bild: Artemis aus Pompeji, Ende des ersten Jahrhunderts vor der Zeitrechnung bis 79 unserer Zeit.


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Kunsthistorisches Museum Wien

Foto: München, Stiftung Archäologie, Vinzenz Brinkmann