Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will mit SPÖ die Familienbeihilfe neu verhandeln.

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Wien  - Während die SPÖ schon etwas länger eine Reform der Familienförderung propagiert, hat am Montag auch Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ein Modell vorgelegt, mit dem die Familienbeihilfe vereinfacht werden soll. Diese besteht derzeit aus sechs Elementen, die nach Mitterlehners Vorstellung auf drei reduziert werden sollen. Es handle sich um ein Modell, "das keine Verlierer hat", versicherte der Minister bei einer Pressekonferenz. Als Wahlkampf wollte er seinen Vorstoß freilich nicht verstanden wissen. Für Volljährige ist künftig übrigens eine Direktauszahlung der Familienbeihilfe möglich.

Altersstaffel soll beibehalten werden

Zunächst gibt es derzeit bei der Familienbeihilfe vier verschiedene Höhen, je nach Alter. Dazu kommt noch eine Geschwisterstaffel, einen Zuschlag für Kinder mit erheblicher Behinderung, ein Schulstartgeld, einen Mehrkindzuschlag und einen Kinderabsetzbetrag, der gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird (siehe eigener Hintergrund). Das System sei relativ kompliziert und unübersichtlich, meinte Mitterlehner.

Um das ganze zu vereinfachen, wünscht sich Mitterlehner eine Familienbeihilfe, die auf drei Elementen beruht: Weiterhin soll es altersgestaffelte Beträge geben, aber nur mehr in drei Stufen. Außerdem soll es eine höhere Geschwisterstaffel und einen höheren Zuschlag für behinderte Kinder geben. Dieses Modell komme Familien mit mehr Kindern, vor allem wenn diese älter sind, sowie Familien mit Kleinkindern zugute, erklärte der Minister. Niemand werde verlieren, versprach er.

Entschuldung des FLAF würde sich verschieben

Und das kostet natürlich, und zwar 4,49 Mrd. Euro - im Vergleich zum derzeitigen System liegen die Mehrkosten bei 198 Mio. Euro. Den Konsolidierungspfad wolle man aber nicht konterkarieren, betonte Mitterlehner. Im Vergleich zum veranschlagten Budget 2012 liege der Mehraufwand nämlich nur bei 24 Mio. Euro. Das erläuterte Mitterlehner so: Der "Familienlastenausgleichsfonds" (FLAF), aus dem eben u.a. die Familienbeihilfe gezahlt wird, finanziert sich auch durch Beschäftigung, und aufgrund der überschnittlichen Beschäftigungsentwicklung ergebe sich Spielraum. Hinzu kämen günstige Entwicklungen etwa beim Absetzbetrag. Mit jenem nicht abgeholten Geld aus der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und dem Kinderfreibetrag, über das zuletzt viel diskutiert wurde, hat das alles aber nichts zu tun.

Mit dem Modell würde sich die vollständige Entschuldung des FLAF um ein Jahr auf 2019 verschieben - für Mitterlehner "verkraftbar". Mittelfristig tritt er weiterhin für eine zweijährige Indexierung (Inflationsanpassung) der Familienbeihilfe ein. Seine Vorschläge für die Familienbeihilfe muss Mitterlehner allerdings erst mit dem Koalitionspartner, namentlich Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), verhandeln. Er rechne aber mit einer Einigung.

Familienbeihilfe aufs eigene Konto

Schon fix ist laut Mitterlehner, dass sich Studenten ab nächstem Jahr die Familienbeihilfe direkt auszahlen lassen können. Dafür ist ein Antrag notwendig, Voraussetzung ist die Unterschrift der Eltern, um Probleme bei Unterhalts- oder Steuerrecht zu vermeiden. Eine entsprechende Novelle soll noch heuer in Begutachtung geschickt werden.

Dranbleiben will die ÖVP übrigens auch im Steuerbereich - Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) schwebt ja bekanntlich ein Steuerfreibetrag von 7.000 Euro pro Kind vor. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Kinderbetreuungsgeldes kündigte Mitterlehner kleinere Änderungen an: Derzeit ist es etwa so, dass man das Modell nach der Wahl nicht mehr ändern kann - hier werde man sich eine Toleranzgrenze überlegen.

Frauenministerin: "Vereinfachung sieht anders aus"

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek meinte am Montag, die Familienbeihilfe zu erhöhen gehe in die richtige Richtung. Im Modell komme aber der Ausbau der Kinderbetreuung nicht vor. Auch die Kosten hält die Ministerin für problematisch. Und: "Eine wirkliche Vereinfachung sieht anders aus."

FPÖ-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller begrüßte die Ankündigung des Familienministers, die Familienbeihilfe einfacher zu gestalten, grundsätzlich. Es fehle ihm aber offensichtlich der Mut, das Problem tatsächlich zu lösen. Sie forderte ein "transparentes Familienentlastungsmodell" im Bereich der Einkommenssteuer.

Viele Vorschläge ihrer eigenen Partei ortet die Grüne Familiensprecherin Daniela Musiol in Mitterlehners Modell. Die Valorisierung der Familienleistungen sollte aber sofort umgesetzt werden, bekräftigte sie.

Zwischen SPÖ und ÖVP beginne nun der Wettstreit um die besseren Wahlkampfzuckerln für die Familien, kritisierte BZÖ-Familiensprecherin Ursula Haubner. Der ÖVP-Plan scheine nicht der große Wurf zu sein. Sinnvoller wäre für Haubner eine Wertanpassung der Familienleistungen.

Lob von Industriellen

Begrüßt wird Mitterlehners Vorschlag zur Reform der Familienbeihilfe von der Industriellenvereinigung (IV). "Auch wenn das System nach wie vor sehr komplex und relativ teuer ist, ist die gemeinsame Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag - so wie dies bereits im Jänner von IV und AK empfohlen wurde - sicher ein Schritt in die richtige Richtung," hieß es. Allerdings gebe es noch dringenden Verbesserungsbedarf beim Ausbau der Kinderbetreuung und den steuerlichen Familienleistungen.

Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel findet es zwar positiv, die Familienbeihilfe zu vereinfachen, für eine bessere nachhaltige Armutsvermeidung brauche es aber gute und ausreichende Kinderbetreuung sowie ganztägige Schulangebote. Die AK spreche sich daher weiterhin für eine Umschichtung der steuerlichen Familienförderung zugunsten eines Ausbaus der Kinderbetreuung aus.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle begrüßte die Maßnahme, wonach die Familienbeihilfe künftig auch direkt an junge Menschen ab 18 ausbezahlt werden kann. Er sieht darin eine "Stärkung der Eigenverantwortung und Eigenständigkeit junger Menschen". Auch die Sozialistische Jugend und der Verband Sozialistischer Studentinnen zeigten sich erfreut, forderte aber eine Direktauszahlung ohne zusätzliche Antragspflicht. Auch Heinisch-Hosek wünscht sich diesbezüglich, dass eine Zustimmung der Erziehungsberechtigten keine Voraussetzung sein soll. (APA, 12.11.2012)