Das Unheil beginnt im Schlachthaus. Immer wieder entdecken dort Metzger Zysten in den Innereien geschlachteter Schafe. Dass Menschen diese nicht essen sollten, ist bekannt. Deshalb werden die Wucherungen herausgeschnitten und entsorgt. In den meisten Industrieländern hat sich das Problem damit erledigt. Nicht aber in weiten Teilen Afrikas, wo die Schlachthygiene zu wünschen übrig lässt.

Herumstreunende Hunde kommen dort an Schlachtabfälle heran - und fressen die Zysten. "In den Zysten schlummern die Larven des Hundebandwurms", erklärt Thomas Romig vom Fachgebiet Parasitologie an der Universität Hohenheim. "Im Hundekörper finden sie ideale Bedingungen, wachsen aus und legen massenhaft Eier."

Für Menschen ist der Hundebandwurm lebensbedrohlich. Jährlich sterben tausende Menschen auf der ganzen Welt an den Folgen. Über den Kot scheiden Hunde die Wurmeier aus. "Weil die Tiere auch ihren Analbereich mit der Zunge säubern, verteilen sie die Wurmeier in ihrem Fell. Es reicht also, einen Hund zu streicheln, um sich den Parasiten einzufangen", klärt Romig auf. Die Folge: lebensgefährliche Zysten in inneren Organen des menschlichen Organismus. Zystische Echinokokkose nennen Fachleute die Erkrankung.

Viele Hundebandwurm-Arten noch nicht untersucht

"Es gibt mindestens fünf Arten und zahlreiche Stämme des Hundebandwurms", weiß Romig. Sie seien unterschiedlich gefährlich für den Menschen und viele bisher noch gar nicht wissenschaftlich untersucht worden. Auch sei nicht klar, welche Art in welcher Gegend vorkomme und welche Schlachttiere sie befalle.

Mit dieser Ungewissheit will der Parasitologe aufräumen. Zusammen mit Partnern in Uganda, Kenia und dem Sudan untersucht Romig an zwölf verschiedenen Orten die Bevölkerung auf die zystische Echinokokkose. Außerdem inspiziert er Schlachthöfe und schneidet Zysten aus den befallenen Organen heraus. In Alkohol eingelegte Proben nimmt er mit ins Labor.

Nach molekularbiologischer Untersuchung erkennt der Forscher, welche Wurmart welche Zyste verursacht. "Dadurch bekomme ich eine ungefähre Vorstellung davon, wie häufig ein Erreger vorkommt und in welchen Gegenden er besonders verbreitet ist. Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf die Gefährdung des Menschen." Denn jede Zyste befällt andere Organe und wächst unterschiedlich schnell.

Vor allem nomadische Hirtenvölker betroffen

Voruntersuchungen haben bereits gezeigt: Die Zysten, die Ärzte bei Operationen entfernt haben, werden überwiegend durch ein und dieselbe Hundebandwurm-Art ausgelöst. Auch den Ursprung der Krankheit hat der Forscher auf diesem Weg in Erfahrung gebracht: Es sind die Zysten in Schaforganen. Weitgehende Entwarnung gibt Romig bei Kamelen: "Es hat sich gezeigt, dass die Wurmart, die Kamele befällt, für den Menschen weit weniger gefährlich ist."

Weil die nomadischen Hirtenvölker mit ihren Wachhunden am stärksten unter der zystischen Echinokokkose leiden, geht der Experte von der Universität Hohenheim davon aus, dass Insekten, Wildtiere und verunreinigtes Wasser als Übertragungswege kaum eine Rolle spielen.

Mehr Hygiene und eine Altersbeschränkung für Schlachtvieh

Die Forschungsarbeit des Parasitologen legt die Grundlage dafür, dass Bekämpfungsmaßnahmen entwickelt werden können. "Es gibt bereits Ansätze Schafe dagegen zu impfen", erzählt Romig. Das funktioniere aber nur bei wenigen Arten und helfe den betroffenen Hirtenvölkern überhaupt nicht. Der Impfstoff ist für sie viel zu teuer. Der Wissenschaftler will das Problem an der Wurzel packen: "Es würde schon viel helfen, wenn die Schlachter Hygienestandards einhalten und alte Schafe aus den Herden entfernt würden", sagt er und ergänzt:"Es hat sich nämlich gezeigt, dass vor allem alte Schafe unter Zysten leiden."

Fein raus sind die Hunde: Für sie ist der Hundebandwurm keine Bedrohung. Der Parasit fühlt sich in ihnen zwar wohl, bildet aber keine Zysten. (red, derStandard.at, 12.11.2012)