Was lange währt, wird endlich gut, möchte man gerne über die schwere Geburt des neuen syrischen Oppositionsdachverbandes, der Syrian National Coalition, sagen. Aber dieser Optimismus für die Zukunft ist nach dem Schauspiel, das sich während der vergangenen Woche in der katarischen Hauptstadt Doha bot, nur schwer aufzubringen. Über weite Strecken konnte man den Eindruck gewinnen, der Feind der Syrer und Syrerinnen sitze nicht nur in Damaskus im Präsidentenpalast, sondern auch in den Reihen der Gegner von Bashar al-Assad. Da ging es um Macht, nicht um das Leiden in Syrien.

Man mag auch bezweifeln, dass es klug war, dass US-Außenministerin Hillary Clinton vor dem Treffen in Doha quasi als amerikanischen Wunsch verkündete, dass der SNC, der Syrian National Council, als hauptsächlicher Repräsentant der syrischen Opposition zu entmachten sei - wenn das Wort "Macht" in diesem Zusammenhang überhaupt angebracht ist. Der SNC hat den Makel, als Kreation der westlichen Assad-Gegner, allen voran USA, Frankreich und der Türkei, zu gelten. Der neu geschaffenen Oppositionskoalition, der Syrian National Coalition, ist nun nicht geholfen, wenn der westliche Druck, der zu ihrem Entstehen führte, ebenfalls allzu sichtbar ist.

Wobei alles nur besser werden kann. Der alte, von Langzeit-Exilsyrern dominierte SNC, der nun Teil der neuen Koalition ist, hat sich in Doha noch einmal in seiner ganzen peinlichen Pracht gezeigt. In der Woche, in der es um die Einigung ging, brachte er das Kunststück zustande, weiter zu zerfallen, trotz angeblicher Verbreiterung seiner Basis. So verließen ihn Teile der Local Coordination Committees (LCC), der lokalen Oppositionsgruppen, die in Syrien die ganze Last des Aufstands tragen. Weiterhin sind die SNC-Gremien von Islamisten dominiert, keine einzige Frau schaffte es ins Exekutivkomitee. Und die New York Times berichtete etwa von der Absurdität, dass ein 60-jähriger Muslimbruder zum Jugenddelegierten für Idlib gewählt wurde.

Absurd waren auch die Vorgänge rund um die Wahl des Christen George Sabra, der nun die konfessionelle Offenheit des SNC vorführen darf, wie vor ihm der Kurde Abdelbasit Sida die ethnische: Sabra wurde nämlich gar nicht einmal ins Sekretariat gewählt, war also von der Vorsitzwahl ausgeschlossen. Ausgerechnet eine Hardcore-Islamistengruppe bot ihm einen ihrer Sitze an, von dem er ins Präsidentenamt klettern konnte.

Aber immerhin, als der SNC am Wochenende sah, dass alle anderen Oppositionsgruppen auch ohne ihn das neue Bündnis schließen würden, bequemte er sich doch noch zum Mitmachen. Hoffentlich erfolgt dieser Schritt nicht halbherzig, denn auf die neue Organisation kommen wichtige Aufgaben zu: Sie muss nicht nur Institutionen errichten, die in der Stunde null - des Falls des Regimes - bereitstehen. Sie muss jetzt schon in den von Rebellen kontrollierten Gebieten ihre Durchsetzungsfähigkeit zeigen und dadurch das Vertrauen sowohl des Auslands als auch jener Syrer, die angesichts der starken islamischen Komponente des Aufstands Angst haben, herstellen.

Aber wenn die Einheit sich tatsächlich bewährt, dann soll die neue syrische Opposition auch auf Konstruktivität aus dem Ausland zählen können: An der internationalen Gemeinschaft ist es nun ihrerseits, endlich eine Position in der Syrien-Krise zu finden. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 12.11.2012)