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Der Große Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht ist der Ort für Großprozesse. Die binden Ressourcen - was Probleme bringt. 

Foto: apa/hochmuth

Wien - Zumindest ein Angeklagter durfte in der vergangenen Woche das Wiener Straflandesgericht verlassen, ohne dass ihn der Richter auch nur ein Wort gefragt hat. Der Grund: Der Richter setzte den Prozess ab, da niemand da war, der ein Protokoll der Verhandlung führen konnte - und er selbst sich weigerte, ein Diktiergerät zu benutzen.

Womit er im Recht ist - denn vom Gesetz ist vorgesehen, dass die Justizverwaltung grundsätzlich einen Schriftführer oder eine Schriftführerin bereitzustellen hat und eine Protokollierung durch den Richter die Ausnahme sein sollte. Alleine: Die Sparmaßnahmen sorgen dafür, dass die Schreibkräfte ausgehen.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Einerseits sinkt die Zahl der "klassischen" Schriftführer. Und andererseits wurde im Vorjahr die Ausbildungszeit für Richteramtsanwärter von neun auf fünf Monate verkürzt - und auch diese können zum Tippen herangezogen werden. Allerdings ist die Zahl ihrer Einsätze als Schreibkräfte begrenzt.

Dazu kommen die zahlreichen laufenden und dräuenden Großverfahren. Die binden die professionellen Schriftführer, die dann keine Zeit mehr haben, im Nachhinein ihre Protokolle in die richtige Form zu bringen - es entsteht ein Rückstau.

Viele große Verfahren

Das Argument, dass auch in anderen Straflandesgerichten und an den Bezirks- und Zivilgerichten die Rechtssprecher häufig selbst zum Diktafon greifen, lässt man im Straflandesgericht nicht gelten. Zivilprozesse seien sehr aktenlastig, da lasse sich später ein Protokoll leichter anfertigen. Und in Wien fallen mehr Verfahren an, die noch dazu umfangreicher sind - eine Selbstprotokollierung verlängere aber die Verfahrensdauer beträchtlich.

Abhilfe sollen nun bewegte Bilder schaffen. In vier Sälen wird es künftig Kameras geben, die eine Videoprotokollierung ermöglichen. Der Vorteil aus Sicht von Gerichtssprecherin Christina Salzborn: "Im Falle eines rechtskräftigen Urteils kann einfach die DVD zum Akt genommen werden, und es sind keine schriftlichen Protokolle mehr notwendig."

Werden dennoch Abschriften verlangt oder geht das Verfahren in die nächste Instanz, kann der Datenträger an einen Schriftführer-Pool übermittelt werden, wo er abgetippt wird. Gute Erfahrungen gebe es damit schon im Landesgericht Korneuburg.

Weiterer Vorteil aus Sicht Salzborns: Gibt es strittige Fragen zum Prozessverlauf, können diese nun sicher geklärt werden. Kopien der DVDs sollen allerdings wohl nicht herausgegeben werden, um zu verhindern, dass Teile des Verfahrens beispielsweise plötzlich im Internet auftauchen.

Die moderne Technik soll auch den Staatsanwaltschaften helfen. Da die Unschuldsvermutung immer häufiger über die Staatsgrenzen ausweicht, sind Videoeinvernahmen immer wichtiger. Bisher sind die Möglichkeiten im Grauen Haus dafür begrenzt. Auch das soll sich ändern - seit mehreren Wochen warten in den Gängen großformatige 3-D-Fernseher auf ihre Montage. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 12.11.2012)