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Eine Bäckerin auf vergeblicher Jobsuche: Der Umstand, dass es oft wichtiger ist, wer man ist und woher man kommt, als was man kann, trägt zu einem weiteren Problem am Arbeitsmarkt bei, das sich in Form von Klagen etlicher ArbeitgeberInnen äußert.

Foto: dpa/Oliver Berg

Der am Freitag veröffentlichte aktuelle Arbeitsklimaindex kündet von "vergeudeten Ressourcen": Ein Fünftel aller ArbeitnehmerInnen sind Menschen mit ausländischen Wurzeln - ein Drittel jener unter ihnen, die aus der Türkei oder aus Ex-Jugoslawien nach Österreich gekommen sind, sind Arbeiter. Meist am Bau, obwohl sie daheim die Matura gemacht haben. Unter Österreichern liegt dieser Anteil bei nur zwei Prozent.

Nun wird hier vielleicht eingewendet, dass man in einem deutschsprachigen Land wie Österreich fremdsprachige MaturantInnen eben nur in Hacklerjobs brauchen könne. Dass auch eine abgeschlossene Berufsausbildung von anderswo nicht so viel wert sei wie eine österreichische Berufsausbildung. Das sind Argumente, die die ethnische Aufteilung des Arbeitsmarkts (schlecht bezahlte, körperlich anstrengende Arbeit = fast nur AusländerInnen, saubere Bürotätigkeiten = überwiegend InländerInnen) gutheißen. Sie sind Teil des Problems.

ArbeitgeberInnenklagen

Denn der Umstand, dass es oft wichtiger ist, wer man ist und woher man kommt, als was man kann, trägt zu einem weiteren Problem am Arbeitsmarkt bei, das sich in Form von Klagen etlicher ArbeitgeberInnen äußert. Es gebe viel zu wenig qualifizierte JobbewerberInnen, jammern diese. Vor allem an Jobsuchenden mit bestimmten Lehrabschlüssen sowie FacharbeiterInnen herrsche akuter Mangel.

Das erweckt den Eindruck, als ob es bei der MitarbeiterInnensuche allein um objektive Anforderungen gehe, die von den BewerberInnen vielfach unterboten würden. Nur: Stimmt das? Sind die Kriterien, die jemand als Kollege oder Kollegin erfüllen soll, immer so klar? Und: Wie wichtig ist "das Soziale" (In- oder AusländerIn, Mann oder Frau, jünger oder älter) bei der Entscheidung, ob jemand für einen Job passt oder nicht? Ist der Arbeitskräftemangel in Zeiten beachtlicher Arbeitslosigkeit zum Teil vielleicht auch hausgemacht?

Vielleicht schon, wie der Fall einer jungen, in ländlicher Umgebung lebenden Frau aus der Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft des Bundes vermuten lässt. Denn diese junge Frau hat in einem immer noch männerdominierten Beruf ihren Lehrabschluss gemacht: Sie ist Bäckerin.

"Für Frauen zu heiß"

Nach Abschluss ihrer Ausbildung machte sie sich in ihrer Wohnumgebung auf Jobsuche. Offene Stellen in Bäckerbetrieben gab es durchaus, aber nirgends, wo sie sich vorstellen ging, passte es. Zwar habe sie die richtigen Qualifikationen, aber man suche doch eher einen Mann, hieß es: Sei es, weil man "noch nie mit einer Frau gearbeitet" habe, weil es "in der Backstube für eine Frau zu heiß" sei, weil überhaupt "die Arbeit für eine Frau zu anstrengend" sei, vor allem nachts, aber auch, weil es im Betrieb "nur Sanitäranlagen für Männer" gebe. Kurz: Über die Jobsuchende ergoss sich die Frauenbenachteiligung im Arbeitsleben in ganzer Breite, so als habe sie eine Zeitreise in die frühen 1970er-Jahre angetreten.

Und ihr Problem war auch nicht zu lösen. Denn auf Rückfrage der GleichbehandlungsanwältInnen - weil derlei "Argumente" den Antidiskriminierungsregeln im Arbeitsbereich zuwiderlaufen -, antworteten sämtliche Bäcker ausweichend. Die Einstellung von Frauen sei für sie prinzipiell kein Problem, nur besagte Jobbewerberin habe eben nicht alle Kriterien erfüllt, entgegneten sie. Am Ende verzichtete die Betroffene auf weitere rechtliche Schritte und besann sich stattdessen einer weiteren modernen ArbeitnehmerInnentugend: der Flexibilität. Sie dehnte ihre Arbeitssuche auf andere Jobs aus.

Derlei geschehe auch heute noch zu oft, meint dazu Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner: "Aufgrund von Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen über weibliche und männliche Berufe ist es etwa für weibliche Lehrlinge immer noch recht schwierig, in technisch-handwerklichen Berufen Fuß zu fassen", sagt sie.

Größeres Problem

Wo es hingegen Erfolge gebe, seien diese unter anderem auf gezielte Beratung und Unterstützung durch Vereine wie "Sprungbrett" zurückzuführen. Doch einfach gehe diese Verhaltensänderung nicht vonstatten. Offenbar ist die Tendenz zur "Ressourcenvergeudung" auch bei qualifizierten Frauen weiterhin stark. Durchaus wahrscheinlich, dass der Umfang des Problems insgesamt unterschätzt wird. (Irene Brickner, derStandard.at, 10.11.2012)