Das wird hier jetzt kein Versuch, die Korruption in der schwarz-blauen Koalition zu relativieren. Aber man muss dem Abgeordneten Johannes Jarolim (SPÖ) widersprechen: Er sagte jetzt im Parlament: "Die Jahre 2000 bis 2006 waren das Ärgste, was man sich in der Republik vorstellen hätte können."

Nur, wenn man ein kurzes Gedächtnis hat. Die schwarz-blauen Jahre waren in der Beziehung (und nicht nur in dieser) übel. Was jetzt - unter anderem durch eine Anfragebeantwortung der Justizministerin Beatrix Karl - auch an Indizien in Sachen Eurofighter herauskommt, geht in Richtung "noch übler". Davon mehr in einer Minute.

Aber so sehr schwarz-blau eine Phase schwerer Regierungskorruption war, so sehr waren es auch die Hochblüte-Jahre der SPÖ-Alleinregierung von 1970 bis 1983 und auch noch der SPÖ/FPÖ-Koalition von 1983 bis 1986.

Wie gesagt, das wird jetzt keine Relativierung der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel (der ich vom ersten Augenblick an extrem kritisch gegenüberstand). Es wird nur der Versuch, eine größere Perspektive und eine Art Soziologie/Psychologie der Korruption zu bieten.

In beiden Fällen, im Triumph der Sozialdemokratie Anfang der Siebzigerjahre wie im Triumph der Nationalkonservativen unter Schüssel kamen Personen und Gruppen an die Macht, die jetzt erstmals die Chancen der Macht wahrnehmen konnten. Es war der überaus beliebte junge Finanzminister Hannes Androsch, dessen Steuerberatungskanzlei Consultatio plötzlich enorm profitierte und der nach elendslangem Verfahren am Ende eine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ausfasste. Es war der junge, auch sehr beliebte Minister und Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, der sich von der Halbseide des "Club 45" und dem anrüchigen Charme des Udo Proksch verführen ließ. Gratz ließ als Außenminister für Proksch vom rumänischen Geheimdienst eine Bestätigung beschaffen, die diesen vom Vorwurf des sechsfachen Mordes und gewaltigen Versicherungsbetrugs reinwaschen sollte.

Die Sozialdemokratie war damals an die wirkliche Macht gekommen, und einige ihrer Hoffnungsträger konnten der Versuchung nicht widerstehen. So wie ein Vierteljahrhundert später die ganze blaue Freunderlpartie auch nicht. Auch sie waren neu, jung, attraktiv, beliebt (so viel zum G' spür der Öffentlichkeit), auch sie waren übrigens Krone-gestützt.

Der flotte Typ der Siebziger-Sozialdemokratie wollte am Abend nicht immer im Simmeringer "Haus der Begegnung" mit dem SP-Pensionistenverband diskutieren und ließ sich glücklich von Udo in dessen Kreis von Damenbekanntschaften einführen; der flotte Typ der 2000er-Kleptokratie war in einer greed is good-Atmosphäre aufgewachsen. Die blau-schwarze Story ist allerdings nicht zu Ende - Stichwort Eurofighter. Eine neue Spur führt hier zu Jörg Haider. Aber an dieser Entscheidung waren noch viel mehr bekannte Personen beteiligt, und es haben noch viel mehr davon profitiert. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 10.11.2012)