Trainer Ernst Happel im Oktober 1965 bei einem Spiel seines erstens Klubs als Cheftrainer ADO Den Haag (Foto unter Creative-Commons-Lizenz (3.0, BY-SA))

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Welche Fähigkeiten sollte ein Fußballtrainer mitbringen?

Happel: Die besten Fähigkeiten sind, wenn er von Beginn im Praktischen beschäftigt gewesen ist, dass er von Beginn gewisse Jahre bei Spitzenklubs gespielt hat, das ist die Grundvoraussetzung. Wenn ein Fußballtrainer nie Fußball gespielt hat, kann er nie ein Trainer werden. Das ist der Grundvorsatz, dass er selbst aktiv war, auf einem bestimmten Niveau gespielt hat, wie Beckenbauer, Cruyff etc., aber es ist natürlich nicht gesagt, dass das immer ein guter Trainer sein muss, aber zu 90 Prozent muss er es absolut sein.

Wie ist Ihre Selbsteinschätzung als Trainer?

Happel: Da müssen Sie die anderen fragen, da dürfen Sie mich nicht fragen. Was soll die Selbsteinschätzung, man soll sich nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen, man muss alle Voraussetzungen mitbringen, die den Fußball betreffen. Erstens einmal der konditionelle Aufbau von die Spieler, zweitens das taktische Vermögen, man muss immer bei der Zeit sein, es ändert sich innerhalb von drei, vier, fünf Jahren, da kommt meistens ein neues System oder neue Varianten. Es ist natürlich nicht gesagt, dass man das anpassen muss, man muss das Spielermaterial dafür auch haben. Und der schwerste Punkt ist die Technik: Wenn der Spieler nicht den Ball beherrscht, sondern der Ball beherrscht den Spieler, dann ist es natürlich vorbei.

Sie haben ein besonderes Gespür in schwierigen Situationen?

Happel: Man muss in erster Linie eine gute Mannschaft haben. Man kann aus keinem Esel ein Rennpferd machen. Man muss dann sehr intensiv arbeiten, taktisch versiert sein und auch die richtige Mischung innerhalb der Mannschaft finden. Auch ist eine bestimmte autoritäre Disziplin notwendig.

Die Spieler wollen autoritär behandelt werden?

Happel: Was die Spieler wollen, interessiert mich nicht. Man muss in erster Linie Mensch sein. Man kann hart auftreten, ohne Brutalität, aber menschlich. Die Spieler müssen Respekt haben. Ein Spieler kann nur Respekt haben, wenn er überzeugt ist, dass der Trainer ein Fachmann ist und die Materie beherrscht, sonst lachen die Spieler den Trainer aus.

Haben Sie eine große Distanz zu den Spielern?

Happel: Mit den jüngeren Spielern muss ich mich jetzt mehr befassen, aber normalerweise hab' ich mehr Distanz. Ich hab' mit den Spielern zu arbeiten, aber privat habe ich keinen Umgang, ich geh' mit Spielern keinen Wein trinken.

Das schätzen die Spieler?

Happel: Die Spieler sind gar nicht interessiert, dass ich dabei bin, wenn sie etwas trinken. Das ist auf alle Fälle eine Distanz. Ich bin mit ihnen per Du, und die Spieler müssen Sie zu mir sagen. Das ist normal, aber wie gesagt, du musst trotzdem menschlich sein, du kannst die Spieler nicht wie einen Hund behandeln. Ab und zu machst ein Donnerwetter, dass die Fensterscheiben scheppern, aber wenn du das jeden Tag machst, geht das bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus.

Ärgern Sie sich manchmal, wenn Sie die Spiele in Österreich sehen?

Happel: Man ärgert sich schon, es hat das wenig mit Fußball zu tun, was man an Spielen sieht in Österreich, erstens einmal hapert's bei uns mit der Einstellung, es hapert schon einmal an Klasse.

Liegt es an der österreichischen Mentalität?

Happel: Das ist eine Einstellungssache, eine Charaktersache und eine Mentalitätssache. Wir sind ein eigenes Kapitel, die Österreicher, das war schon zu meiner Zeit auch so, aber wir waren früher prozentabel gesehen bessere Fußballer, die immer weniger werden. Die Klassespieler, die wir haben, kommen international auch nicht heraus. Erstens einmal sind solche Spieler in einem bestimmten Moment wie die Mimosen, sie sind labil, leider, die Qualität hätte er, aber er ist eben wie eine Mimose, labil, zwei Mal steigen sie ihm aufs Pratzerl, und er resigniert, oder Real Madrid hat vier Spieler, die wir nicht haben, Real ist eine bessere Mannschaft wie mir, das müssen sie erst beweisen, so kann man nicht auf ein Spielfeld laufen, im Gegenteil, wenn ich gegen Real spiele, kann ich nichts verlieren, [...] jede Mannschaft ist in einem bestimmten Moment zu schlagen, was heißt, sie haben vier bessere Spieler und sie haben eine bessere Mannschaft, das müssen sie erst beweisen [...]. Wenn ich einem Holländer irgendetwas sage, so wird der sich überlegen, was sagt der Trainer, der muss ein bissl deppert sein, der Trainer, der wird schauen, dem werde ich's jetzt beweisen, der wird schauen. Wenn ich einem Spieler in Österreich etwas sage, ist er im Keller, den kannst du wegschmeißen [...].

Glauben Sie, dass es Gott gibt?

Happel: An irgendwas muss man glauben, aber ich glaub' auf keinen Gott nicht.

Sie denken, dass es mit dem Tod aus ist?

Happel: Ich stelle mir vor, was weiß ich, ich komme vielleicht noch einmal auf die Welt, aber nicht als Mensch, sondern als irgendetwas anderes, kann sein, ich weiß nicht, ich tu' mich weniger damit beschäftigen. Was ist nach meinem Tod? Erstens einmal, wir sind alle Menschen, und wenn man die Tiere nimmt, ist es nur ein Kurzurlaub, den wir auf Erden sind. [...] Was ist das menschliche Leben, das ist ja nix, pffft und es ist weg, [...], der eine hat ein glückliches Leben, der andere hat ein unglückliches Leben, der eine lebt in einem bestimmten Wohlstand, der andere in einer Armut, wie man sagt, da kann dir Gott auch nicht helfen.

Was war für Sie das Schönste außerhalb vom Fußball?

Happel: Auch in der schwersten Zeit hab' ich keinen Hunger nicht gelitten, ich bin bei meiner Großmutter aufgezogen worden, die hat selber sieben Kinder gehabt, mir ist da auch nichts abgegangen, ich konnte, wenn der Gummiball kaputt war, ihn jeden Tag flicken lassen, ist der Gummiball nicht mehr zum Flicken gewesen, hab' ich einen neuen gekauft, also da hab' ich keine Not nicht gehabt. Ich war immer so ein Rotzjunge, wie man sagt, [...] ich habe mich sehr minimal angepasst, ich will nicht in einem gewissen Drill sein [...]. Das Einzige, was für mich ein bisschen hart war und enttäuschend, dass ich in jungen Jahren nach Russland gekommen bin, als 17-Jähriger in den Krieg.

Was ist der Sinn des Ganzen?

Happel: Du musst hoch beschäftigt sein in dem Beruf, in dem du bist, dass du immer auf das Maximale gehst. Dass du deine Arbeit so verrichtest, dass du deinen Arbeitgeber zufriedenstellst. Dass du deinen Verpflichtungen nachkommst, und eben, wie es bei uns im Sport ist, dass du das Maximale rausholst und dass du einen Erfolg hast. Mehr kann ich nicht tun. Wenn der Erfolg ausbleibt, hab' ich ein Pech gehabt, aber ich kann mir keinen Vorwurf machen, dass ich nicht arbeiten tu', dass ich das Maximale nicht probiert hab'.

So nüchtern sehen Sie das?

Happel: Du kannst natürlich nur mit den Riemen rudern, die du zur Verfügung hast.

Aus der Biografie "Ernst Happel Genie und Grantler", geschrieben von Klaus Dermutz, Verlag die Werkstatt 2012 320 Seiten, 19,90 Euro 

(DER STANDARD, 10./11.11.1012)