Eine Software visualisiert bei Hochwasser, welche Stadtteile bei einem etwaigen Bruch von Schutzwällen am stärksten betroffen sein werden.

Foto: VRVis

Der Damm droht an mehreren Stellen zu brechen. Welche Teile der naheliegenden Ortschaft werden wie und in welchem Ausmaß von den Wasserfluten überschwemmt. Wo sollten wie viele Sandsäcke platziert werden?

Auswertung von Simulationen dauert Tage

Wie sich eine Katastrophe wie etwa Hochwasser ausbreiten und auswirken kann, kann sich im Vorhinein niemand ausmalen. Und doch ist es unerlässlich, sich bestmöglich darauf vorzubereiten, zumal sich durch veränderte klimatische Bedingungen die Überflutungssituationen häufen und extreme Wetterereignisse auch bisher relativ sicher gehaltene Regionen betreffen können.

Computersimulationen können zwar Hochwasserereignisse aufgrund historischer Daten berechnen. Doch ihre Auswertungen dauern in der Regel Tage und nutzen im eingetretenen Katastrophenfall als schnelle Entscheidungshilfen wenig. Eine neue, computergestützte Aktionsplanung soll dies ändern. Mit ihr sollen nicht nur prophylaktisch, sondern auch im Akutfall Hochwasserschutzmaßnahmen durchgespielt werden können. Eine weitere Besonderheit: Verantwortliche für das Hochwassermanagement und Einsatzleiter vor Ort können sich Auswirkungen von Maßnahmen gleich veranschaulichen.

Visdom

Entwickelt wurde das Visdom genannte Softwaresystem vom Physiker und Computergrafiker Jürgen Waser am VRVis, dem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. "Wo beginnt man bei Hochwasser die ersten Sandsäcke zu platzieren? Wie wird die Situation in einer Stunde aussehen? Wie wird sich die Lage ändern, wenn anstatt 100 Sandsäcken an die Stelle A 200 Sandsäcke gelegt werden? Derartige Szenarien können in der realen Welt nicht ausprobiert werden, in der virtuellen Welt aber schon", beschreibt Waser die Anwendungsmöglichkeiten.

Alternativen und Auswirkungen werden am Bildschirm sofort in dreidimensionaler Darstellung sichtbar und können miteinander verglichen werden. Wichtig war Waser bei der Entwicklung der Lösung auch der mobile Einsatz am Tablet sowie eine einfache Bedienung, sodass die unter Stress stehenden Einsatzkräfte die Wirksamkeit geplanter Maßnahmen schnell verifizieren oder falsifizieren können. In Planung sind auch die Integration von Ressourcen- und Logistikmanagement sowie Routenplänen. Erprobt wird die Lösung derzeit bereits im Kölner Hochwasserschutzzentrum.

Bis zur Marktreife wird es zwar noch ein bis zwei Jahre dauern. Doch dann ließen sich mit dem Programm auch Muren- oder Waldbrandsimulationen durchführen. "Da jede Simulation nur eine Näherung sein kann, bleibt im Katastrophenfall die menschliche Erfahrung weiter extrem wichtig", zeigt Waser die Grenzen der Technik auf. (Karin Tzschentke, DER STANDARD, 9.11.2012)