>>>Zur Ansichtssache: C'est pas mon genre!

Foto: Emilie Voirin

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Fast ist man versucht, den alten Märchenabzählreim zu variieren, wenn man in der Schau C'est pas mon genre! Über Frauen. Design aus Frankreich gleich zu Beginn vor Spatulas Mirrors von Ecal / Jennifer Rabatel zu stehen kommt. Und die verspiegelten Hebe- und Spachtelhaushaltsinstrumente sieht. Die so unspektakulär daherkommen. Aber im Kleinen das Große, ja die gesamte Ausstellung buchstäblich reflektieren. Die Interpretationshoheit liegt freilich beim Betrachter, aber dass bei diesen Spiegeln auch das Thema Jugend- und Schönheitswahn mitschwingt, liegt auf der Spatel, äh Hand.

Nachdem vor zwei Jahren die Niederlande eingeladen waren, im Zuge der Europa-Kulturtage der Europäischen Zentralbank im Frankfurter MAK ein Kulturgastspiel zu geben, ist es heuer Frankreich. Marc Monjou und Rodolphe Dogniaux von der École supérieure d'art et design de Saint-Étienne (ESADSE), wie jede École supérieure elitär und finanziell prächtig ausgestattet, sind die Gastkuratoren. In Frankreich gilt die ESADSE als prestigereich und hoch angesehen. Die zwei haben so etwas wie das Gegenstück zur holländisch-agrarischen Expo auf die Beine gestellt: eine Designschau über das Spiegelkabinett von guter Gestaltung, Frauenrollen und Haushaltsklischees.

Wechselausstellungsfläche

Was in dem von Richard Meier errichteten weißen Museumsbau im Park am Mainufer nicht ganz einfach ist. Ist doch die Ausstellungsraumsituation kompliziert. Die recht überschaubare, quadratische Wechselausstellungsfläche ist recht luftig, da gleich neben dem überdimensionierten offenen Stiegenhaus platziert, das in seiner ausschwingenden Eleganz maritime Assoziationen an Luxusliner auszulösen vermag. Eher irdisch geht es dagegen in der Schau zu, der ersten unter der Ägide des im Sommer inthronisierten Direktors Matthias Wagner K., Spezialist für Island und Lichtkunst. Trotz des raffiniert doppeldeutigen Titels. Denn "c'est pas mon genre" lässt sich auf zweifache Weise übersetzen.

Als "Das ist nicht mein Geschlecht". Und als "Das ist nicht mein Paar Stiefel respektive mein Stil". Einigen wenigen quasihistorischen Designobjekten, ausgewählten Staubsaugern beispielsweise aus den frühen Fünfzigern bis in die Siebziger, wird viel Junges, Zeitgenössisches entgegengesetzt. Arbeiten, die neu, fast neu oder nur wenige Jahre jung sind. Wie die Cocktailmaschine Il y a une île des Künstlerinnenduos La Cellule. In seiner Überdimensioniertheit und in seiner mechanischen Bedienbarkeit entpuppt sich hier das Intim-Persönliche als infame Abrechnung mit Klischees, und zwar mit diskretem Hohn und graziler Anmutung: Bei der Zubereitung von rund einhundert Cocktails gleichzeitig tragen Becquemin und Sagot übertrieben weibliche, übertrieben orangefarbene Kleider von rührender Mad Men-Biederkeit.

Hommage an die Surrealistin Meret Oppenheim

Die neun Themeninseln, von denen sechs direkt auf dem Boden platziert sind, überlappen und berühren sich. Ob es nun Femme libéré, die scheinbar durch technische Apparate befreite Frau, oder Vielle fille, alte Jungfer, Battue/battante, schlagend/Geschlagene, oder Contre-forme ist, die Ergänzungen sind zahlreich im und beim Design von Frauen, für Frauen und für das so lange so angeblich spezifisch weibliche Territorium der "ménage", des Haushalts. Gestaltet nun der Haushalt die Form der Dinge, die darin benutzt werden? Oder weisen die tradierten Strukturen den Objekten ihre Formgebung zu? Was steht am Anfang dieses Prozesses? Und was an seinem Ende? Und was lösen leichte Verrückungen aus? Das führt etwa Marie Garnier vor.

Bei Method kombiniert sie zartweiße Porzellanschalen mit Frauenhaar. Was sich als diskrete Hommage an die Surrealistin Meret Oppenheim und ihre Pelztasse lesen ließe, ginge Garnier nicht einen Schritt weiter. Sie interessiert sich nämlich für die "Methode" dahinter, die gesellschaftlich-ideologische Folie. In der Installation Le Dot aus 28 tragbaren Porzellanelementen dekliniert Marie Pendariès anmutig das Ritual der Aussteuer durch. Charlotte Dumoncel d'Argence vermisst mit ihrem Schmuck der Serie Étalons im Wortsinn Anmaßung und Auf- oder Abwertung. Matali Crasset spießt mit ihrem Lovetoy 8ème Ciel bittersüße Konsumkitschwelten auf.

Eines der gelungensten Objekte, bei dem handwerkliche Ausführung sich mit einem espritvollen Gegenbürsten der Konventionen vereint, ist Emilie Voirins Emmanuelle is shy. Eine halbrunde Sesselabdeckung wölbt sich über die Sitzende. Kunstvoll wird hier Design zur hintersinnigen Betrachtung über Voyeurismus und Verborgensein. (Alexander Kluy, Rondo, DER STANDARD, 9.11.2012)