München/Berlin - Wegen der Neonazi-Mordserie in Deutschland hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und weitere Beschuldigte erhoben. Das teilte das Oberlandesgericht (OLG) München, wo der Prozess stattfinden soll, am Donnerstag mit. Nähere Angaben machte das Gericht zunächst nicht.

So blieb etwa auch offen, wie viele weitere Verdächtige neben Zschäpe im Zusammenhang mit der Mordserie der Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) vor Gericht gestellt werden sollen. Medienberichten zufolge richtet sich die Anklage gegen vier weitere Beschuldigte, unter ihnen auch der frühere Funktionär der rechtsextremen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands), Ralf Wohlleben - neben Zschäpe als einziger Verdächtiger noch in Untersuchungshaft. Weitere vier Verdächtige, die als mutmaßliche NSU-Unterstützer festgenommen worden waren, wurden zwischenzeitlich wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der NSU werden die Morde an neun Migranten und einer Polizistin zugeschrieben. Der NSU hatte jahrelang von den Behörden unbehelligt agieren können und war erst vor gut einem Jahr aufgeflogen. Am 4. November 2011 hatten sich zwei der Mitglieder, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nach einem Banküberfall in Eisenach erschossen. Zschäpe soll am selben Tag die Wohnung des Trios in Zwickau angezündet haben, am 8. November 2011 stellte sie sich der Polizei.

Das Trio wird nach früheren Angaben der Bundesanwaltschaft für neun Morde an türkischen und griechischen Migranten zwischen 2000 und 2006 sowie den Mord an einer Polizistin 2007 in Heilbronn verantwortlich gemacht. Zudem soll es zwei Bombenanschläge 2001 und 2004 in Köln verübt haben, bei denen insgesamt 23 Menschen verletzt wurde.

Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern in Deutschland prüfen, wie es dazu kommen konnte, dass der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie über Jahre hinweg nicht ans Licht kam. Den Sicherheitsbehörden werden zahlreiche Ermittlungspannen vorgeworfen.

Vorwürfe gegen den Verteidigungsminister

Die SPD warf am Donnerstag Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) mangelndes Engagement bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie vor. Vor einer Sondersitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur rechten Terrorzelle NSU sagte die SPD-Obfrau Eva Högl, der Minister habe nichts unternommen, das Agieren des Militärgeheimdienstes MAD und der Bundeswehr während der Radikalisierung der rechten Szenen in den 1990er Jahren zu untersuchen. "Er hat auch nichts dazu beigetragen, den Ausschuss bei der Aufklärung der Zusammenhänge zu unterstützen."

Vor dem Untersuchungsausschuss sollen im Laufe des Tages mehrere Vertreter von MAD und Verteidigungsministerium als Zeugen befragt werden.

Erst heuer im September war ans Licht gekommen, dass der Bundeswehrgeheimdienst bereits in den 90er Jahren auf den späteren Terroristen Uwe Mundlos aufmerksam geworden war und einen Akt über ihn angelegt hatte. Auch das Verteidigungsministerium, das für den MAD zuständig ist, wusste davon. Der Ausschuss hatte empört auf die verspätete Information reagiert und die Sondersitzung zum Thema angesetzt. Mundlos war als Wehrpflichtiger zweimal befördert worden, obwohl seine rechtsextremistischen Umtriebe bei der Bundeswehr bekannt waren und ein Strafverfahren gegen ihn lief.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, dies sei kein Einzelfall. Er habe Erkenntnisse, dass in den Jahren bis 2006 als rechtsextrem bekannte und vom MAD registrierte Soldaten bei der Bundeswehr bleiben durften. Der Fortbestand des MAD wurde im Zuge der NSU-Affäre nicht nur von den Grünen, sondern auch von FDP und Linken in Frage gestellt.

Am Rande der Ausschusssitzung machten Politiker von FDP und Grünen ihrem Ärger über eine jüngste Aktenvernichtung in Berlin in dem Fall Luft. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Ende Juni zahlreiche Akten des Berliner Verfassungsschutzes zu Rechtsextremisten geschreddert wurden. Darunter waren auch zwei Ordner über die rechtsextreme Band Landser. (APA, 8.11.2012)