Linz - Volkskrankheit Herzinsuffizienz: Mehr als 300.000 Menschen in Österreich leiden an einer Herzinsuffizienz (HI). Die Sterberate von Herzschwäche-Patienten innerhalb von fünf Jahren ist höher als bei den meisten Krebsarten. Beim Kongress „Herzinsuffizienz Update 2012" im Linzer Elisabethinen Spital diskutieren Herzspezialisten Therapie-Innovationen. 

"Wir haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte in Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz gemacht und können damit Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen deutlich verbessern", so Christian Ebner, Kardiologe im Elisabethinen Krankenhaus in Linz und Leiter der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft. Das gilt für sowohl für die medikamentöse Behandlung, als auch für verschiedene Kategorien implantierbarer Geräte, die nicht nur eingreifen können, wenn das Herz zu langsam arbeitet, sondern viel komplexere Aufgaben beherrschen. "Zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie eingesetzte Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) zum Beispiel können das Risiko eines plötzlichen Herztods bei Herzschwäche-Patienten um bis zu 60 Prozent verringern", so Ebner.

Rettungsweste fürs Herz 

Eine vielversprechende Innovation, die bei bestimmten Gruppen von Patienten einem plötzlichen Herztod vorbeugend entgegenwirken kann, ist die "Life Vest", eine spezielle Weiterentwicklung des Defi-Konzepts. "Diese neue Rettungsweste kann ausgewählten schwerkranken Herzschwäche-Patienten zu mehr Sicherheit und Qualität im Alltag verhelfen, ihnen Krankenhausaufenthalte ersparen und ihre Prognose verbessern", betont der Kardiologe.

Der am Oberkörper tragbare Defibrillator, ist vergleichbar mit einem Gurtgeschirr mit integriertem Monitoringsystem. Über Elektroden, die am Rücken und der linken Brustseite in Gelkissen auf der Haut aufliegen, überwacht das Gerät das Herz der Patienten kontinuierlich. Erkennt die Life Vest eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung mit anschließendem Herzstillstand, gibt das Gerät lebensrettende Stromstöße ab.

Im Akutfall warnt das Gerät die Patienten zunächst, dass gleich eine Schockbehandlung starten wird. Sofern die Betroffenen bei Bewusstsein sind, können sie den Einsatz des Stromstoßes steuern. "Die Rate der unnötigen Schocks ist daher geringer als bei implantierten Defis", berichtet Hans Keller, Oberarzt an der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung.

Über ein GSM-Netz (oder alternativ das Festnetz) werden die EKG-Daten automatisch in das behandelnde Krankenhaus übertragen. Die Patienten können aber auch jederzeit selbst ein EKG schicken, wenn Unsicherheiten auftreten oder eine Kontrolle ansteht. "So gewinnen die Betroffenen Bewegungsfreiheit und sind trotzdem geschützt", so Keller.

Interessant ist die Alternative zum implantierten Defibrillator unter anderem für Patienten, denen ein bereits eingesetztes ICD-System wieder entfernt werden musste, zum Beispiel aufgrund einer Infektion. Eine andere Zielgruppe sind Personen, die auf die Implantation eines Defibrillators warten oder bei denen eine Operation mit hohen Risiken verbunden wäre. Ein wichtiges Einsatzgebiet ist auch die Überwachung von Patienten, bei denen noch keine HI-Therapie eingeleitet wurde, die aber unter einer dilatativen Kardiomypathie, also einer krankhaften Erweiterung des Herzmuskels, leiden und eine gefährlich verminderte Pumpleistung des Herzens aufweisen. 

Ökonomische Alternative

Die Life Vest ist nicht als Dauertherapie gedacht, sie wird durchschnittlich ein bis drei Monate eingesetzt. "Zurzeit verwenden etwa 20 bis 25 Patienten Österreich dieses System. In Deutschland sind es rund 60. Weltweit nutzen über 25.000 Menschen die Rettungsweste, vor allem in den USA", berichtet Keller.

Ebner betont den wirtschaftlichen Nutzen der Therapieoption: "Eine Alternative zum Einsatz des Gerätes ist, dass Patienten nicht 24 Stunden überwacht werden, eine Verschlechterung ihres Zustands, teure Hospitalisierungen oder Schlimmeres riskieren. Oder sie werden gleich stationär überwacht, was pro Tag mindestens 1.500 Euro kostet. Das Gerät zu leasen kostet im Vergleich 80 Euro pro Tag. Ich begrüße daher auch aus gesundheitsökonomischer Sicht die Bereitschaft der Sozialversicherung, über die Aufnahme der Life Vest in den Leistungskatalog zu verhandeln."

"Minipumpen" als künstliche Herzen

Große Fortschritte gibt es auch im Bereich implantierbarer Pumphilfen oder "künstlicher" Herzen. Diese so genannten ventrikulären Assistenzsysteme (Ventricular Assist Devices - VAD) ergänzen die Pumpkapazität des geschädigten Herzens. Dabei bleibt das kranke Herz im Körper und die Pumphilfe übernimmt den überwiegenden Teil der Herzfunktion. Angeboten wird die Implantation solcher Pumpen derzeit ausschließlich an den drei Universitätskliniken Wien, Innsbruck und Graz. 

"Ursprünglich wurden diese Systeme vor allem dazu eingesetzt, die Zeit bis zu einer möglichen Genesung oder, bei fehlenden Heilungschancen, bis zur Transplantation eines Spenderherzens zu überbrücken", so Ebner. Nun gewinne der Einsatz der künstlichen Pumpen als "destination therapy", also nicht bloß als Überbrückung, sondern als dauerhaftes Implantat anstatt eines Spenderherzens, an Bedeutung. Das wird aus verschiedenen Gründen immer wichtiger. "Wir haben es nicht nur mit einem Mangel an Spenderorganen zu tun. Eine Reihe von Patienten kommt für eine Herztransplantation einfach nicht in Frage - etwa ältere Menschen mit Begleiterkrankungen oder Tumorpatienten. Diesen Menschen kann mit einer VAD-Implantation geholfen werden", weiß der Experte. VADs werden eine zunehmend wichtige Säule der Herzinsuffizienz-Therapie, wenn auch die Kosten eine gewisse Limitierung darstellen. (red, derStandard.at, 8.11.2012)