Den Haag/Tripolis - Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Fatou Bensouda, hat die neue libysche Regierung aufgefordert, Verbrechen gegen den früheren Machthaber Muammar al-Gaddafi nicht ungestraft zu lassen. Die Regierung um Ministerpräsident Ali Zeidan, müsse sicherstellen, dass es keine Amnestie für Verbrechen geben werde - egal wer Opfer oder Täter sei, sagte Bensouda am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.

Bensouda sagte, mit der geplanten Amnestie für "notwendige Taten der Revolution vom 17. Februar" wolle die libysche Regierung die Aufständischen auch bei Verstößen gegen internationales Recht und gegen die Menschenrechtskonvention vor einer Strafverfolgung schützen. Sie und ihr Büro seien "ernsthaft" besorgt über die Situation in Libyen. Wenn die Regierung an Gerechtigkeit für alle Opfer in Libyen interessiert sei, werde der IStGH dem Land zur Seite stehen.

Besorgnis

Der libysche Vize-Botschafter bei der UNO, Mohammad Dabbashi, sagte, Libyen werde alle Verbrechen verfolgen, "ungeachtet der Identität der Opfer oder Beschuldigten". Aber zunächst werde man sich auf die Anschuldigungen gegen Angehörige der Gaddafi-Führung konzentrieren, "weil sie die Hauptverursacher schwerer Straftaten waren".

Zuletzt war international Besorgnis laut geworden, dass unter anderem diejenigen, die Gaddafi nach dessen Festnahme töteten, nie der Justiz zugeführt werden würden. Zudem hält die neue Führung viele Gaddafi-Anhänger gefangen, darunter dessen Sohn Saif al-Islam und den früheren Geheimdienstchef Abdullah Senussi. Deren Anwälte befürchten, dass in Libyen kein fairer Prozess möglich sei. Die Anwälte Saifs beklagen, dass sie ihren Mandanten in diesem Jahr kaum zu Gesicht bekommen hätten.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte auf dem Höhepunkt der Revolte gegen Gaddafi im Juni 2011 Haftbefehl gegen Saif al-Islam und Senussi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Libyen bestreitet hingegen die Zuständigkeit des IStGH. Bensouda kündigte an, dass ihr Büro den Prozess in Libyen genau verfolgen werde, sollte der IStGH entscheiden, das Verfahren doch den libyschen Behörden zu überlassen. (APA, 7.11.2012)