Washington - Nach seiner Wiederwahl als US-Präsident hat sich Barack Obama in Chicago an seine Anhänger gewandt - aber auch an den politischen Gegner und die amerikanische Öffentlichkeit. Hier die übersetzte Rede im Wortlaut (redaktionelle Erläuterungen in Klammern):

"Danke. Danke. Vielen Dank. Heute Nacht, über 200 Jahre nachdem eine ehemalige Kolonie das Recht erworben hat, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, geht die Herausforderung weiter, unsere Union zu vervollkommnen. Sie geht Euretwegen weiter. Sie geht weiter, weil Ihr jene Einstellung bekräftigt habt, die über Krieg und Wirtschaftskrise triumphiert hat - die Einstellung, die dieses Land aus den Tiefen der Verzweiflung in die Höhen der Hoffnung emporgehoben hat, den Glauben, dass - auch während wir alle unseren individuellen Träumen nacheifern - wir eine amerikanische Familie sind, und dass wir gemeinsam aufsteigen oder fallen werden als eine Nation und als ein Volk.

Heute Nacht, in dieser Wahl, habt Ihr, das amerikanische Volk, uns daran erinnert, dass - obwohl der Weg hart und unsere Reise lang war - wir wieder aufgestanden sind, uns zurückgekämpft haben. Und wir wissen, tief in unseren Herzen: Das Beste kommt noch für die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich möchte jedem Amerikaner danken, der an den Wahlen teilgenommen hat, ob er nun zum ersten Mal gewählt oder sehr lange (vor dem Wahllokal) angestanden hat. Übrigens: Das müssen wir ändern.

Ob Ihr Straßenwahlkampf betrieben oder telefoniert habt, ob Ihr ein Obama-Plakat oder ein Romney-Plakat gehalten habt: Ihr habt Euch bemerkbar gemacht, Ihr habt den Unterschied ausgemacht.

Ich habe gerade mit Gouverneur Romney gesprochen und ihm und Paul Ryan zu einer hart umkämpften Kampagne gratuliert. Wir mögen heftig gekämpft haben, aber nur deshalb, weil wir dieses Land so sehr lieben und uns so sehr um seine Zukunft sorgen. Von George über Lenore zu ihrem Sohn Mitt hat die Romney-Familie Amerika im Dienst an der Allgemeinheit etwas zurückgezahlt, und das ist ein Vermächtnis, das wir ehren und dem wir heute Nacht applaudieren. Ich freue mich darauf, mich in den kommenden Wochen mit Gouverneur Romney zusammenzusetzen und darüber zu sprechen, wie wir zusammenarbeiten können, um dieses Land voranzubringen.

Ich möchte meinem Freund und Partner der vergangenen vier Jahre danken, Amerikas fröhlichem Krieger, dem besten Vizepräsidenten, den man sich erhoffen kann: Joe Biden.

Und ich wäre nicht der Mann, der ich heute bin, ohne die Frau, die vor 20 Jahren einwilligte, mich zu heiraten. Lass es mich in aller Öffentlichkeit sagen: Michelle, ich habe Dich niemals mehr geliebt. Ich war niemals stolzer als dabei, dem Rest Amerikas dabei zuzusehen, wie es sich auch in Dich verliebt hat, als First Lady unseres Landes.

Sasha und Malia, vor meinen Augen wachst Ihr heran zu zwei starken, intelligenten, schönen jungen Frauen, ganz wie Eure Mutter. Ich bin so stolz auf Euch. Aber ich sage Euch jetzt: Ein Hund ist wohl genug.

Und Ihr seid das beste Wahlkampfteam, das es je gegeben hat. Das beste! Das beste aller Zeiten! Einige von Euch waren diesmal neu, und andere standen von Anfang an an meiner Seite. Ihr seid Familie für mich. Was auch immer Ihr nun macht oder wohin auch immer Ihr geht: Ihr tragt die Erinnerung in Euch daran, dass wir gemeinsam Geschichte geschrieben haben, und Euch gebührt die lebenslange Anerkennung eines dankbaren Präsidenten. Danke, dass Ihr an mich geglaubt habt, trotz aller Hindernisse. Ihr seid es gewesen, die mich emporgehoben haben, und ich werde ewig dankbar sein für alles, was Ihr getan habt und die ganze unglaubliche Arbeit, die Ihr hineingesteckt habt.

Ich weiß, dass Wahlkämpfe manchmal kleinlich, sogar albern wirken. Das gibt den Zynikern Futter, die uns sagen, Politik sei nichts weiter als ein Wettbewerb der Egos oder die Domäne der Eigeninteressen. Aber wenn man jemals die Gelegenheit hat, mit den Menschen zu reden, die zu unseren Wahlkampfveranstaltungen kommen, die sich an der Absperrung in einer Schulturnhalle drängeln, oder die Menschen sieht, die spät am Abend noch im einem Wahlkampfbüro fern der Heimat arbeiten, dann entdeckt man etwas anderes.

Man hört die Entschlossenheit in der Stimme eines jungen Wahlkämpfers, der neben dem Studium noch jobbt und sicherstellen will, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat. Man hört den Stolz in der Stimme einer Freiwilligen, die von Tür zu Tür geht, weil ihr Bruder endlich wieder eingestellt wurde, weil die Autofabrik vor Ort eine weitere Schicht eingeführt hat. Man hört den tiefgehenden Patriotismus in der Stimme der Partnerin eines Soldaten, die spät in der Nacht noch Wahlkampfanrufe macht, um sicherzustellen, dass keiner, der für dieses Land kämpft, jemals um einen Arbeitsplatz oder ein Dach über dem Kopf kämpfen muss, wenn er oder sie nach Hause kommt.

Deshalb machen wir das. Auch das kann Politik sein. Deshalb sind Wahlen wichtig. Sie sind nichts Kleines, sie sind groß. Sie sind wichtig. Demokratie in einem Land mit über 300 Millionen Menschen kann laut und chaotisch und kompliziert sein. Wir haben alle unsere eigene Meinung. Wir haben alle unsere tiefen Überzeugungen. Und wenn wir in schwierigen Zeiten leben, wenn wir als Land große Entscheidungen treffen, dann ruft das notwendigerweise Leidenschaft hervor, ruft Meinungsverschiedenheiten hervor. (APA, 7.11.2012)