Parkbänke, Hauseingänge, Randstein und manchmal auch Kirchenwand: Hier sind nicht nur die Initialen "ewiger" Freund- und Liebschaften junger Menschen eingemeißelt. Auch nationale und nationalistische Identität schlagen sich symbolisch im Wiener Stadtbild nieder. Multi-Kulti auf eine andere Art und Weise – politisch brisante Vielfalt, verteilt in einem Umkreis von nur 300 Metern.

Auf diesem Bild ist ein Graffiti des sogenannten serbischen Kreuzes zu sehen – ein Kreuz mit vier C. Der Buchstabe S ist im Kyrillischen Alphabet ein C, und so ist auch die Bedeutung des Zeichens zu entschlüsseln: Es steht heute für den Slogan "samo sloga Srbina spašava" was so viel bedeutet wie "nur die Eintracht rettet den Serben". Die genaue Entstehungsgeschichte des Zeichens ist unklar, jedenfalls geht sie bis ins 15. Jahrhundert zurück. Es gibt eine gewisse Verwandtschaft zum griechischen BBBB-Slogan "Βασιλεύς Βασιλέων Βασιλεύων Βασιλευόντων", der König der Könige regiert über die Könige.

foto: alvir/khakpour

Heute wird das Zeichen mit "Serbentum" sowie mit den Tschetniks in Verbindung gebracht. Bei den Tschetniks handelt es sich um serbische Milizen, die sich für ein großserbisches Reich einsetzten. Im zweiten Weltkrieg kollaborierten sie mit den deutschen Besatzern im Kampf gegen die von Josip Broz Tito angeführten, kommunistisch orientierten Partisanen. Die Tschetniks verübten auch Massaker an Zivilisten, in Titos Jugoslawien war die Bewegung verboten. In serbisch-nationalistischen Kreisen wird aber auch heute an die Tschetnik-Tradition angeknüpft, so bemühte sich Anfang der 90er-Jahre der rechtsaußen-Politiker Vojislav Šešelj, der sich zur Zeit vorm Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen verantworten muss, diese neu zu gründen. In Serbien genießen Tschetnik-Kämpfer seit 2004 Veteranenrechte

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Obwohl das serbische Kreuz eindeutig mit nationalistischer und faschistischer Ideologie in Verbindung zu bringen ist – zu sehen beispielsweise auf dem Abzeichen der Spezialeinheit Skorpije (Skorpione), die 1995 am Massenmord in Srebrenica beteiligt war – wird immer wieder beteuert, es handle sich hierbei um ein harmloses patriotisches Symbol, das nur missbraucht würde. Offen bleibt die Frage, ob nicht vielleicht der Gebrauch die Bedeutung bestimmt – das serbische Kreuz ist jedenfalls trotz seiner teilweise dubiosen Vergangenheit weit verbreitet und legitim.

Ganz im Gegensatz zu diesem Zeichen – ein U mit einem Kreuz darin. Es handelt sich dabei um das "kroatische Hakenkreuz", das offizielle Ustascha-Symbol. Die Ustascha-Bewegung unter ihrem Führer Ante Pavelic kontrollierte zwischen 1941 und 1945 Hitlers Marionettenstaat NDH, die "Nezavisna Drzava Hrvatska" (Unabhängiger Staat Kroatien), dem auch Bosnien-Herzegowina zugeschlagen wurde. Das Kreuz soll die Verbundenheit zur katholischen Kirche symbolisieren, die NDH war nämlich, ähnlich wie Österreich in der Zwischenkriegszeit, ein klerikal-faschistischer Staat.

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Im Ustascha-Kroatien wurden Rassengesetze nach deutschem Vorbild eingeführt und Konzentrationslager wie Jasenovac und Stara Gradiška betrieben. Die Bewegung trägt die Verantwortung für Genozide an verschiedenen Gruppen – Serben, Juden und Roma.

Der Gebrauch der Ustascha-Symbole ist in Kroatien offiziell verboten. Trotzdem wird es regelmäßig bei einschlägigen Events wie Konzerten (beispielsweise einschlägiger Bands wie Thompson) und Gedenkfeiern gesehen: Als Abzeichen auf der charakteristischen Ustascha-Kappe und auf Fahnen, zum Beispiel.

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Nationalistische Juxtaposition und Intertextualität sondergleichen findet sich in diesem Beispiel mit Fußball-Kontext. Zu sehen ist in blau der Schriftzug "Torcida" (der größte und älteste Fanclub des kroatischen Fußballvereins Hajduk Split), dazu besagtes Ustascha-Zeichen. Dieses Graffiti wurde über ein anderes "Kunstwerk" in rot gemalt: Делије steht da, in Kyrillisch. Auf die Delije, Fanclub des Sportvereins Roter Stern Belgrad, folgt bei diesem Graffiti ein serbischen Kreuz. Serben betonen gerne, dass dieses kein anrüchiges oder gar illegales Zeichen ist wie das Ustascha-Kreuz, sondern lediglich ein harmloses patriotisches Signal, wie eine Fahne oder ein Wappen. Doch der auf diesem Bild aufdringliche Vergleich lässt vermuten, dass die beiden Zeichen einander vielleicht doch ebenbürtig sind, was ihre nationalistische Botschaft angeht.

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Unter anderem ist auch der türkische Nationalismus in Wien vielerorts beobachtbar. Die drei Halbmonde auf rotem Grund sind das Symbol der "Partei der nationalistischen Bewegung" (MHP) in der Türkei. Gleichzeitig lehnen sie sich auch an die Kriegsflagge des Osmanischen Reichs an. Die Symbolik ist in verschiedener Art und Weise aufzufinden und leicht nachzuahmen: Nicht nur auf Fahnen und Bannern, sondern auch auf T-Shirts, Jacken oder Stirnbändern, auch als Aufnäher, Gürtelschnallen oder Halsketten.

Die Mitglieder der MHP-Bewegung werden Graue Wölfe, auf Türkisch "Bozkurt" genannt. Als Graue Wölfe sind in Folge dessen Anhänger eines übersteigerten nationalistischen Türkentums zu verstehen. Der Mythologie zufolge habe der graue Wolf die bedrohten Turkvölker in Sicherheit gebracht. Wesentliche Ziele und Ideologien dieser politischen Bewegung sind die Betonung des Türkentums, Abwertung anderer Ethnien, Rassismus, Antisemitismus und eine starke türkisch-islamische Verbindung. Letzere konkretisiert sich im Leitspruch "Islam ist unsere Seele, Türkentum ist unser Leib".

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Unter türkischen Migranten finden die Grauen Wölfe eine "bedenklich hohe Resonanz", stellt der Deutsche Verfassungsschutz fest. Die Ideologie soll unter den hier lebenden türkischen Jugendlichen in Form gemeinsamer Aktivitäten und Veranstaltungen Anklang finden. Allein in Deutschland sollen mehr als 10.000 aktive Mitglieder erfasst worden sein. Hinzu kommen Vereine wie die "Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa" (ATIB) und der "Verband der türkischen Kulturvereine in Europa" (ATB), die laut Verfassungsschutz dieser Organisation ideologisch Nahe stehen sollen.

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Die drei Buchstaben UÇK stehen für die kosovarische "Befreiungsarmee", die im Jahr 1999 aufgelöst wurde, in verschiedenen Nachfolgeornaisationen jedoch noch Bestand hat. Die Organisation operierte als paramilitärische Einheit für die Unabhängigkeit des Kosovo und entstand im Jahr 1994. Mittels bewaffneten Kampfes sollten dabei einzelne Bezirke zu ihrer "Unabhängigkeit" finden. Teile der UÇK-Bewegung strebten auch den Zusammenschluss aller von Albanern besiedelten Gebiete in Serbien, Mazedonien, Montenegro und Griechenland an Albanien an.

Anführer und Mitbegründer der Organisation war Adem Jashari. Nach Schätzungen der Kosovo-Truppe (KFOR) gab es im Jahr 1998 etwa 15.000 UÇK-Mitglieder. In einer zweijährigen Untersuchung des Europarats wurden einigen Führern der kosovarischen Befreiungsarmee Verstrickungen in illegalen Organhandel sowie Beteiligung an Auftragsmorden und anderen Verbrechen vorgeworfen. Von 1996 bis Anfang 1998 hat sich die UÇK zu 21 Mordanschlägen bekannt.

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Der schwarze, zweiköpfige Adler zierte ursprünglich die rote Flagge Albaniens. Die Flagge stammt von einem Siegel von Gjergj Kastriot Skanderbeg, einem albanischen Nationalhelden, der die Albaner in einem Aufstand im 15. Jahrhundert gegen das Osmanische Reich anführte. Zu Ehren Skandenbegs, der 25 Jahre gegen die Osmanen ankämpfte, wurden dem doppelköpfigen Adler 25 Federn verliehen. Die Flagge erfreute sich Ende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem immer stärker aufkommenden Nationalbewusstsein der Albaner immer größerer Beliebtheit.

Das "KS" im Bild steht für Kosovo. "Kos", steht im Serbokroatischen für die Amsel, die Region ist nach dem "Amselfeld" benannt. Eine Forderung albanischer Nationalisten ist es bereits seit 1943, eine "ethnisch gesäuberte albanische Republik" entstehen zu lassen, in der der Kosovo enthalten ist, und die mit Albanien zur Bildung eines "Großalbaniens" kommt. Der politische Schlachtruf "Kosovo Republik!", ist durch den Zusatz "ethnisch reines" Kosovo ergänzt worden – ganz im Sinne eines rein albanischen Territoriums, frei von anderen Nationalitäten.

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Fremdenhass der anderen Sorte ist auf den Straßen Wiens ebenfalls wetter- und wasserfest dokumentiert. Die Devise lautet: "Kanak go home" ist das neue "Neger raus". Dabei dürfen derartige Bemerkungen keineswegs als Einzelfälle relativiert werden. Denn: "In keinem anderen Land sagten so viele Menschen, sie würden sich Migranten nicht als Nachbarn wünschen, wie in Österreich", berichtete die Europäische Wertestudie bereits Anfang dieses Jahres. Darunter sind vor allem Muslime und Menschen mit anderer Hautfarbe gemeint. Bei der Frage nach der negativen Einstellung zu "Migranten, Juden und Romani" liegt Österreich an zweiter Stelle. (Olja Alvir und Toumaj Khakpour, daStandard.at, 24.11.2012)

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