Das Editorial der "New York Times" geht mit der Wahlstrategie der Republikaner hart ins Gericht. Die Wahl sei kein Zeichen dafür gewesen, dass ein geteiltes Land zusammenfindet. Aber sie war eine klare Bestätigung der Politik mit den Zielen Jobwachstum, Gesundheitsreform und Steuererhöhungen zum Defizitabbau.

Die Wähler lehnten laut "New York Times" Romneys Position ab, dass sich Washington "schlicht aus solchen Angelegenheiten heraushalten und die freien Märkte arbeiten lassen solle".

Als fatal sieht das Blatt die Entscheidung während der republikanischen Vorwahlen an, eine harte Haltung in der Immigrationspolitik einzunehmen. Das habe Romney eine schallende Ohrfeige der Latino-Wähler eingebracht. Die strengen Einwanderungsgesetze und die Forderung nach "Selbstabschiebung" könnten nicht nur Romney die Präsidentschaft gekostet haben, sondern die Republikaner auch in Zukunft gefährden, wenn sie ihre Politik nicht ändern.

"Romneys Strategie, Obama für so gut wie alles verantwortlich zu machen, während er selbst den Amerikanern versichert, er habe einen Plan, das Defizit unter Kontrolle zu bringen, ohne dabei Steuern zu erhöhen und große Einschnitte im Gesundheitssystem zu machen, funktionierte einfach nicht." Besonders bitter dürfte für die Republikaner die Tatsache sein, dass nur ein Viertel der Amerikaner Obamas Gesundheitsreform komplett rückgängig machen will.

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Thomas L. Friedman beginnt seinen Kommentar in der "New York Times" mit einer Aussage von Mitch McConnell. Der republikanische Senator hatte im Oktober 2010 erklärt, das wichtigste Ziel seiner Partei sei, aus Barack Obama einen "one-term president" zu machen. "Nun, Mitch, was sagst du jetzt dazu?", fragt Friedman süffisant.

Letztendlich habe eine Mehrheit der Amerikaner geglaubt, dass Obama versucht habe, die Probleme des Landes zu lösen. Die Republikaner hätten eine Wahl verloren, die sie - bedenke man den Zustand der Wirtschaft - hätten gewinnen müssen.

Die Gründe dafür macht Friedman in einem Mangel an Ideen aus - sei es Einwanderung, Klimawandel, Arbeitsmarkt oder Abtreibung. Es sei eine Wahl über Obamas Charakter gewesen. Die Amerikaner hätten gesagt: "Wir glauben dir, dass du dich bemühst. Jetzt bemüh dich noch mehr." Genau deshalb sei Obamas Sieg eine so verheerende Niederlage für die Republikaner: "Ein Land mit acht Prozent Arbeitslosigkeit gab lieber dem Präsidenten eine zweite Chance als Mitt Romney seine erste. Die Republikanische Partei braucht jetzt eine richtige Aussprache."

Die Republikaner hätten zwei Präsidentschaftswahlen hintereinander verloren, weil die erzkonservative Basis ihre Kandidaten gezwungen habe, in den Vorwahlen so weit nach rechts zu rücken, dass sie bis zur eigentlichen Wahl nicht mehr weit genug ins Zentrum gelangen konnten, um die Wahl zu gewinnen.

Obama müsse nun zu arbeiten beginnen, um die zweite Chance, die ihm gegeben wurde, zu rechtfertigen. Und die Republikaner müssten beginnen zu verstehen, warum das geschah.

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"Die Geschichte dieser Wahl ist eine Geschichte der Demografie", meint Greg Sargent von der "Washington Post". Dass sogar in einigen Südstaaten das Rennen ungewöhnlich knapp war, zeige, dass die Republikaner mit dem sich verändernden Gesicht Amerikas nicht Schritt halten können.

"Viel wird in Zukunft davon abhängen, wie die Republikaner mit ihrer Niederlage umgehen und wie sie sie interpretieren werden." Doch es werde enormen Druck auf die Führung der Republikanischen Partei von ihrer Basis und den Meinungsmachern geben, den US-Präsidenten bei jeder Gelegenheit zu behindern. Doch Obama habe ein Druckmittel: Er habe die Möglichkeit, darauf zu verweisen, dass die destruktive Politik der Republikaner bei dieser Wahl abgelehnt wurde. (stb, derStandard.at, 7.11.2012)