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Sie sind ein erfahrener und denkender Mensch. Sie sind ein Militärmensch." Also einer wie ich, könnte man ergänzen, was der russische Präsident Wladimir Putin sagte, als er Sergej Kuschugetowitsch Schoigu zum neuen Verteidigungsminister ernannte.

Putin selbst förderte den Militärmenschen: Schon 2003, in seiner ersten Amtszeit, ernannte er Schoigu zum Armeegeneral. Auch damals wusste der Präsident, was er tat: Seit seiner Ernennung zum Katastrophenschutzminister 1994 war Schoigu im Volk das mit Abstand beliebteste Regierungsmitglied. In den Jahren davor war es ihm gelungen, einen effizienten staatlichen Notfalldienst aufzubauen - im bürokratieüberfrachteten größten Land der Erde mit seinen oft hausgemachten, systembedingten Katastrophen und Großunfällen eine Pioniertat.

Beides, Katastrophen und Hilfseinsätze, lieferten Schoigu eine politische Bühne, derer er sich ungeniert bediente. So wurde er für die Staatsmacht unentbehrlich. Schon unter Präsident Boris Jelzin war er der längstdienende Minister. Schoigu sei fast der einzige russische Politiker, der "an keiner einzigen politischen Intrige beteiligt war", schrieb damals die regierungskritische Wochenzeitung Itogi.

Im September 1999 wurde Schoigu denn auch an die Spitze der neu gegründeten Partei Jedinstwo (Einheit) geholt, die das unter Jelzin schwer ramponierte Ansehen des Kremls aufpolieren sollte. Bei den Parlamentswahlen kam die Partei auf 24 Prozent und unterstützte im Frühjahr 2000 die Wahl Putins zum Präsidenten. Ende 2001 ging Jedinstwo in der neuen Kremlpartei Einiges Russland auf. Als Putin Schoigu im vergangenen April als Gouverneur des Oblast Moskau, der reichsten russischen Region, nominierte, fragten sich manche, ob er damit nicht einen möglichen Konkurrenten weglobte.

Schoigus Name und Vatersname weisen auf seine Herkunft hin: Der spätere Bauingenieur wurde 1955 in Tschadan als Sohn eines Tuwiners und einer Russin geboren. Die Tuwiner, ein Turkvolk, sind die größte nichtrussische Bevölkerungsgruppe im Altai-Sajan-Gebiet in Südsibirien.

Schoigu steht also auch für ein multiethnisches Russland. Ob ihm dies bei der weiteren Karriere nützt, bleibt offen. Schafft er es aber, den riesigen, verkrusteten und reformresistenten Militärapparat tatsächlich zu modernisieren, ohne einer Intrige zum Opfer zu fallen, dann hat er sich definitiv für höchste Weihen qualifiziert. (Josef Kirchengast / DER STANDARD, 7.11.2012)