Die Welt befindet sich am Abgrund. Dort angesiedelt ist Andreij Tarkowskijs Stück "Das Opfer", in der Garage X überzeugend auf die Bühne gebracht.

Foto: Yasmina Haddad

Wien - Im Kellertheater Garage X muss jeder Gast passend zum Thema der ersten Saisonpremiere ein Opferpfand bringen. Ausweis, Handy oder 100 Euro. Dafür gibt es einen Funkkopfhörer. Wenn endlich alle auf richtiger Frequenz sind, ist kein Zurücklehnen angesagt: Musik verkündet Endzeitstimmung - eine Katastrophe steht bevor.

Ein Meister apokalyptischer Ausweglosigkeit ist der sowjetische Filmemacher Andreij Tarkowskij (1932-1986). Sein Film Das Opfer, 1986 zwei Wochen nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl erschienen, zeigt Urängste und Hoffnungen, religiöse Sinnsuche und verblendete Opferbereitschaft von Menschen, die dem Unausweichlichen gegenübertreten. Was kann, soll, muss ein Einzelner für die Allgemeinheit opfern?

Regisseur Philipp Hauß inszeniert das zeitlich gestraffte Schauspiel sensibel und nuanciert. Durch eine sich ins Schwarz-Weiß zurückziehende Lichtdramaturgie gelingt eine Stimmung, die bannt: ohne große Effekte, eindringlich.

Er schafft durch die Kopfhörer einen gemeinsamen audiovisuellen Raum, in dem jeder dennoch allein bleibt. Die Assoziation des Tarkowskij-Stücks mit aktuellen Ereignissen führt ihn zum nuklearen GAU in Fukushima, die Welt befindet sich am Abgrund - die Rolle Gottes wird zentral.

Die von Martin Schepers gestaltete Bühne ist bei der österreichischen Erstaufführung mit Abzugs- und Kanalrohren überzogen, zwischen denen eine Geburtstagsfeier stattfindet. Jubilar Alexander (Markus Heinicke) arrangiert mit seinem stummen Sohn (Paul Leopold Osada ist mit seinen jungen Jahren bühnenreif) ein Ikebana-Geflecht in Form von Holzbausteinen.

Die Gäste wandeln umher. Donnergrollen und Vogelstimmen sind allgegenwärtig. Dann ist es dunkel, die Kontrolle verloren. Maria (Katharina Behrens), die Hexe im guten Sinn, fragt, was der Einzelne denn tun kann, während der Arzt Viktor (Moritz Vierboom) über seine Zukunftspläne in Australien nachsinnt. Der Postbote Otto (Thomas Reisinger) ist das verbindende Glied zwischen der endzeitlichen Realität und dem Unerklärlichen, dem Fantastischen, dem Traumhaften. Er überbringt Alexander die Botschaft, dieser müsse mit Maria schlafen, um alle zu retten. "Das Ende ist niemals so schlimm wie die Angst vor dem Ende." (Sebastian Gilli, DER STANDARD, 7.11.2012)