Heinz Mandl, Psychologe.

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Wie sehr positive Effekte des Computerspielens auf das Berufsleben übertragbar sind und wie spielerisch gelernt werden kann, erklärt der Psychologe Heinz Mandl im Interview mit derstandard.at.

derStandard.at: Können die Eigenschaften, die über Computerspiele trainiert werden, auf die Arbeitswelt übertragen werden?

Mandl: Studien zeigen, dass die Hand-Augen-Koordination, die Informationsverarbeitung und die kognitive Flexibilität durch Computerspiele trainiert werden können. Darüber hinaus wird auch beim Spielen Wissen erworben. Inwieweit Fähigkeiten generalisierbar sind, ist allerdings umstritten. Beispielsweise wird in manchen Computerspielen Problemlösungsfähigkeit verlangt, aber es bleibt fraglich, wie stark diese erworben wird und dann auch in die Arbeitswelt übertragbar ist. Das hängt auch davon ab, wie viel Zeit man mit dem Spiel verbringt und inwieweit man die Spielhandlung reflektiert.

derStandard.at: Den Egoshootern hingegen wird nachgesagt, dass sie aggressiver machen.

Mandl: Wenn man gewalttätige Spiele spielt, wird man physiologisch angeregt, der Blutdruck und der Herzschlag steigen. Allerdings kann man nicht sagen, dass jeder, der solche Spiele spielt, aggressives Verhalten zeigt. Das Problem in der Diskussion um negative Auswirkungen von gewalthaltigen Computerspielen ist, dass man den Zusammenhang zwischen Computerspiel und Wirkung oft monokausal betrachtet. Es gibt viele Spieler, die Kriegsspiele mögen, deswegen aber kein aggressives Verhalten zeigen. Das hängt von der Familie ab und von den Freunden und Spielkollegen. Aggressives Verhalten hängt von der Umgebung ab. Diese verstärkt das Verhalten- oder auch nicht.

derStandard.at: Firmen arbeiten mittlerweile auch mit digitalen Lernspielen, um die Mitarbeiter zu schulen.

Mandl: Ja, das stimmt. Während bei den konventionellen Computerspielen das Lernen implizit ist, wird der Lernaspekt bei den digitalen Lernspielen explizit einbezogen. Die Mitarbeiter sollen zwar lernen, aber mit spielerischen Elementen. Spielentwickler versuchen herauszufinden, was die klassischen Computerspiele so erfolgreich macht. Untersuchungen haben gezeigt, dass rasche Rückmeldung und schnelle Bestätigung sehr wichtig für die Spieler sind. Diese Erkenntnis muss man bei den digitalen Lernspielen auch nutzen. Außerdem sollten digitale Lernspiele problemorientiert gestaltet werden, damit Arbeitnehmer mit Herausforderungen konfrontiert werden. Wichtig ist, dass die Lernspiele Spaß machen und Neugierde wecken. Spielerisch lernt man schneller als wenn man beispielsweise einen Vortrag hört. Wir haben in einer Studie Kriterien entwickelt, welche Eigenschaften ein digitales Lernspiel haben sollte. Da spielen emotionale Faktoren, das positive Erleben eine Rolle. Wichtig ist es auch, Neugier zu wecken und Erfolge zu haben. Wenn man diese Prinzipien klassischer Computerspiele in digitale Lernspiele integriert, dann werden sie eher akzeptiert.

derStandard.at: Wie schaut so ein Digital Learning Game genau aus?

Mandl: Eine typische Form digitaler Lernspiele stellen Rollenspiele dar. Es gibt Spiele, bei denen die Mitarbeiter lernen, Kundengespräche zu optimieren. Beispielsweise bekommt ein Mitarbeiter einer Getränkefirma den Auftrag, eine Getränkemarke besser zu vermarkten. Er muss den Weg zu einem Restaurant, einem potentiellen Kunden, digital selber finden. Dort führt er ein Gespräch mit dem Kunden, damit dieser die Getränkemarke in sein Verkaufsangebot aufnimmt. Ein solches digitales Verkaufstraining nutzen manche Firmen. Es gibt virtuell auch einen Coach, der direkt Rückmeldung gibt, wie sich der Mitarbeiter verhalten hat und Ratschläge erteilt, was er künftig besser machen könnte.

derStandard.at: Wie verbreitet sind diese Lernspiele?

Mandl: Digitale Lernspiele sind noch ziemlich neu und wenig in Unternehmen eingeführt. Authentische Arbeitssituationen werden in digitalen Lernspielen kaum realisiert. Es gibt derzeit noch nicht viele wirklich gute. Manche Unternehmen wählen auch eine Zwischenform des Einsatzes von digitalen Lernspielen. In einer Untersuchung, die wir zum Verkaufstraining gemacht haben, hat es eine reale und eine virtuelle Phase gegeben. Die virtuellen Phasen zur Analyse von Verkaufssituationen dienten der Vorbereitung realer Rollenspiele. Wichtig ist auch, dass die Spiele verschiedene Spielniveaus haben, damit auch jemand, der nicht so gut ist, Spaß daran hat. Dieser Aspekt sollte auch stärker in diese digitalen Lernspiele eingebaut werden.

derStandard.at: Es gibt außerdem Untersuchungen, die zeigen, dass Browserspiele, die während der Arbeit genutzt werden, helfen, zu entspannen.

Mandl: Manche Unternehmen erlauben es den Mitarbeitern explizit, in den Pausen digitale Spiele zu spielen. Spiele, die Spaß machen wirken stressreduzierend. Erfolgserlebnisse in diesen Spielen sind motivationsfördernd, auch für die Arbeit.

derStandard.at: Können denn auch Aggressionen durch Computerspiele abgebaut werden?

Mandl: Das sagt zwar die Katharsis Hypothese, aber es hat sich nicht gezeigt, dass das Aggressionspotential sinkt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind da nicht einheitlich. Inwieweit eine Person aggressiv wird, hängt sehr viel von der Persönlichkeit des Spielenden ab, wie beeinflussbar er ist und wie sein soziales Umfeld ist. Das sind die wichtigen Bedingungen, die die Wirkung auf Spieler bestimmen. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 6.11.2012)