Aufdeckungsjournalismus und Sozialvoyeurismus haben, neben der Literatur, die Putze für sich entdeckt. Undercover-Berichte schildern die "katastrophalen Lebensumstände", Autoren profilieren sich mit sozialem Engagement. Doch wird das Schuldgefühl, wohlhabender Mitteleuropäer zu sein, wettgemacht, indem man mehr oder weniger verständnisvoll ein Buch liest oder schreibt?

Die Klassenunterschiede in der Gesellschaft sind bei einem Blick auf dieses Berufsfeld nicht zu leugnen. Schlechte Arbeitsbedingungen, Niedrigstlöhne, Schikanen, Rassismus - und all dies außerhalb eines (arbeits)rechtlichen Rahmens - da ist schon der Bestfall, wenn sich beim Arbeitgeber Schamgefühl einstellt.

Deshalb wirkt die optimale Putzfrau unbemerkt. Ihre Arbeit wird überhaupt nur sichtbar, wenn sie nicht zufriedenstellend verrichtet wird. Und ihre Aufgabe ist es, einen Normalzustand herzustellen, in dem sie und ihre Anwesenheit, ihr ganzes Dasein, obsolet werden. Ein Hausgeist.

Die Putze verkörpert verschiedene Problematiken, die sich um diese Themen drehen. Globale wie Migration, Ausbeutung und Frauenrechte: Wie emanzipiert ist eine Frau, die eine andere Frau dafür bezahlen kann, für sie zu putzen? Aber auch intime (schließlich ist dies das Wirkungsfeld der Putze ) wie das unbekannte Eindringen in die Privatsphäre anderer, das Unheimliche im eigenen Heim.

Was macht man, während jemand in den Requisiten des eigenen Lebens werkt? Weggehen, selbst arbeiten? Einfach aufs Sofa setzen? Vielleicht lieber mit der Putzfrau gemeinsam putzen - sie könnte ja etwas anders oder falsch machen, etwas zu Privates entdecken oder gar stehlen. Vorputzen, damit man sich ob des eigenen Drecks nicht schämen muss?

Auf die Absurdität, einen Menschen prekär zu beschäftigen, um den eigenen Mist wegzuräumen, antwortet das Gewissen eben mit absurden Verhaltensweisen. (Olja Alvir, DER STANDARD, 6.11.2012)