Diese Nachricht vom Sonntag hat in Europa wie eine Bombe eingeschlagen: "Karl Habsburg-Lothringen ist 'froh, kein Kaiser zu sein'". Da ist er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Einzige. Kräht seit Jahren kein Hahn nach ihm, so krähte endlich wieder einmal der "Kurier", denn die Zeit drängte. "Eineinhalb Jahre nach dem Tod Otto von Habsburgs steht sein Sohn Karl als Oberhaupt der Familie an der Spitze jener Dynastie, die Österreich 600 Jahre lang regierte". Da ist so ein anderthalbjähriges Jubiläum schon eine Doppelseite wert, und sei es nur, um Fragen von tonnenschwerer Bedeutung aufzuwerfen: "Ein Habsburger in Blue Jeans? Der Enkel des letzten Kaisers im Sportpullover?" Ja, darf er denn das?" Im KURIER-Gespräch zeigt der 51-Jährige, dass er seit den Tagen, da wir ihn als Quizmaster und Europapolitiker erlebten, sichtlich gereift und in die Rolle als Familienchef hineingewachsen ist." Mit 51 wird es auch langsam Zeit, und nur gut, dass der "Kurier" sich berufen fühlte, die Menschheit an diesem Reifungsprozess teilhaben zu lassen. Leicht war das nicht.

"Wird sich durch den Wechsel an der Spitze des Hauses Habsburg etwas in der Familienpolitik oder am äußeren Erscheinungsbild ändern?", sorgte sich der Interviewer – grundlos. "Mein Vater hat eine kontinuierliche Politik verfolgt, indem er sagte, man muss sich" – wenn gelegentlich auch ungern – "den jeweiligen Umständen anpassen. Und da hat er eine Riesenvorleistung erbracht. Ich versuche dem nachzueifern, indem auch ich sage, die Familie muss sich den modernen Gegebenheiten stellen."

Über so viel Gelassenheit konnte sich der "Kurier" nur entsetzen. "Es muss doch eine Tragödie für Sie sein, dass Großbritannien, Holland oder Belgien nach wie vor Monarchien sind, aber Österreich nicht!" Und das ist umso tragischer, als Dänemark, Schweden und Norwegen da noch gar nicht mitbedacht waren. Überhaupt ist es "eine Tragödie", dass sich in Europa das Republiksunwesen derart ausgebreitet hat. Dennoch gelassen zu bleiben erfordert schon eine ordentliche Portion Reife. "Ich bin zu realistisch, um das als Tragödie zu sehen", bemühte sich der "Familienchef" um Beruhigung des "Kurier". "Ich glaub', wir hatten in der Endzeit der Monarchie, nicht zuletzt durch meinen Großvater, auch fortschrittliche Aspekte, vor allem im Sozialbereich. Es ist schade, dass man das nicht fortsetzen konnte. Aber ich hege da keine nostalgischen Gefühle."

Gänzlich verdrängen lassen sie sich freilich nur schwer. "Ich halte es für höchst unwahrscheinlich", antwortete er auf die Frage, ob er je einen Thronanspruch stellen werde. "Aber ich will nicht kategorisch zu etwas Nein sagen, weil das immer gleich in eine bestimmte Richtung ausgelegt wird". Bisher hatte noch jeder gereifte Habsburger sein Motto – AEIOU, " Plus ultra" etc. -, und seit 1918 gilt halt: "Sag niemals nie!" Was in einem Aufwaschen auch für den Anspruch auf den Thron des Bundespräsidenten gilt: "Ich seh' das nicht. Obwohl man solche Fragen nie ausschließen soll, das ist eine prinzipielle Frage, aber aktuell sehe ich es nicht so."

Ganz im Banne der "Tragödie", dass Österreich keine Monarchie ist, ließ sich der "Kurier" nicht so leicht abwimmeln. "Hand aufs Herz: Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten – wären Sie gerne Kaiser?" Da muss der Familienchef schon tief ins historische Fettnäpfchen greifen, um sich vor dem Blatt zu rechtfertigen, warum er froh ist, "dass ich die Zeit nicht zurückdrehen kann. Ich sag's ganz ehrlich, wenn ich in der Funktion wäre, würde ich Ihnen jetzt nicht in Jeans und Pullover gegenübersitzen, und ich finde es sehr angenehm, dass wir uns hier treffen können und ich zu Ihnen sage, entschuldigen Sie, ich bin im Stau gestanden und deswegen zu spät dran."

Bessere Gründe, nicht "Kaiser" sein zu wollen, lassen sich kaum denken. Wenn sie auch noch "ehrlich" gesagt sind, ist ein Thronanspruch in dieser Generation nicht mehr zu erwarten. In der nächsten könnte es anders aussehen. "Wird Ihr Sohn Ferdinand Zvonimir, wie das schon bei Ihnen der Fall war, zum künftigen Oberhaupt der Familie erzogen und wird das immer so weitergehen?", sah sich der Interviewer genötigt, seine Hoffnungen in eine fernere Zukunft zu verlegen – um eine von delikater Bescheidenheit zeugende Antwort mitzunehmen. "Ich kann das nicht für alle Ewigkeiten garantieren, aber so weit es in meiner Macht steht, gilt das für meinen Sohn, selbstverständlich".

Wenn Ferdinand Zvonimir den Dresscode seines Vaters übernimmt, muss Österreich wohl oder übel Republik bleiben. (Günter Traxler, DER STANDARD, 6.11.2012)