Liebes- und Triebesleben junger Franzosen mit Migrationshintergrund: Djinn Carrénards "Donoma" beeindruckt. 

Foto: Viennale

Da soll noch einmal jemand mangelnden Tatendrang mit dem Fehlen finanzieller Mittel entschuldigen! Gerade einmal 150 Euro will Djinn Carrénards Spielfilmdebüt Donoma gekostet haben, reduziert kommt das Werk des 1981 in Haiti geborenen Regisseurs aber keineswegs daher. Über zwei Stunden lang breitet Carrénard einen großzügig komponierten und geschickt konzipierten Beziehungsteppich aus. An manchen Stellen sind die Stränge eng verknüpft, andernorts flattern die Erzählfäden auch frei im Fahrtwind der Pariser Metro.

Donoma erzählt im Wesentlichen zwei lose verbundene Dreiecksgeschichten junger Franzosen mit Migrationshintergrund. Im Liebes- beziehungsweise Triebesleben des jugendlichen Tunichtguts Dacio (Vincente Perez) sorgen zum einen sowohl die sozial bessergestellte Salma (Salomé Blechmans) wie auch seine Spanischlehrerin Analia (Emilia Derou-Bernal) für Aufruhr. Der beschäftigungslose Dama (Sékouba Doucoure) hat sich hingegen eben mit seiner Leelop (Laetitia Lopez) zerstritten, als ihn die Zufallsbekanntschaft Chris (Laura Kpegli) in einem Anfall von Abenteuerlust auf einige Wochen mit nach Hause nimmt, um mit ihm das Experiment einer Beziehung zu führen, welche gänzlich ohne gesprochene Worte auskommt.

Nur langsam werden die Motivationen der Protagonisten enthüllt. Mit zittriger Handkamera springt Carrénard zwischen den einzelnen Episoden hin und her, fährt suchend durch die meist engen Räume des Geschehens, um sich dann an den Gesichtern seiner Darsteller festzubeißen. Wiederholte Rückblenden und Jump Cuts laden den eigentlich von längeren teilimprovisierten Dialogszenen bestimmten Film zusätzlich mit Spannung auf, das Vermitteln großer Dinglichkeit scheint ein primäres Ziel des jungen Filmemachers zu sein.

Entsprechend prall gefüllt sind die Rucksäcke, welche die Leidenden und Liebenden in Donoma mit sich herumschleppen müssen. Den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen dabei Analia und Salma. Während die attraktive und beruflich frustrierte Lehrerin durch eine nur schwer zu rechtfertigende Spielerei zu überraschender Stärke findet, endet der Weg der sich aufopfernd um ihre krebskranke Schwester kümmernden Salma in der Konfrontation mit einem tiefgläubigen Skinhead. Sowohl der Neochrist wie auch die Atheistin hoffen in ihrem Gegenüber mehr zu finden, als dieses zu geben in der Lage ist.

Carrénards Film entwickelt sich zu weit mehr als einer episodischen Abhandlung über die Liebe zwischen den Angehörigen verschiedener Einkommensschichten, Religionen und Ethnien. Seine komplexen Bewegungen zeigen, wie hauchdünn die Linie zwischen Vernunft und Wahnsinn ist und wie beide Seiten das Potenzial für Triumph und Niederlage in sich bergen. Dementsprechend können die 135 Minuten von Donoma an manchen Stellen als etwas gar maßlos, wenige hektische Schnitte später jedoch schon wieder als bestens investiert erscheinen. Ungeachtet des Budgets ist Djinn Carrénard mit Donoma auf jeden Fall eine eindrucksvolle Talentprobe gelungen. (Dorian Waller, Spezial, DER STANDARD, 6.11.2012)