Berlin - Unter dem Druck des aufziehenden Wahlkampfs hat sich die schwarz-gelbe Koalition in Deutschland auf eine Entlastung der Bürger in Milliardenhöhe geeinigt. Der Koalitionsausschuss beschloss am frühen Montagmorgen die Abschaffung der Praxisgebühr ab 1. Jänner 2013. Angesichts der großen Überschüsse bei den gesetzlichen Krankenkassen fällt die Gebühr in der Höhe von 10 Euro damit neun Jahre nach ihrer Einführung. Die FDP hatte vehement ein Aus verlangt. Eine Senkung der Kassenbeiträge wie von CDU/CSU favorisiert gibt es hingegen nicht.

Im Gegenzug zur Abschaffung der Praxisgebühr stimmte die FDP endgültig dem CSU-Projekt Betreuungsgeld zu. Es soll an Eltern von Kindern zwischen dem 13. und 36. Lebensmonat gezahlt werden, wenn sie ihr Kind zuhause betreuen und keine öffentlich geförderte Betreuung oder Tagesmutter in Anspruch nehmen. Der Bundestag soll darüber noch in dieser Woche in dritter Lesung entscheiden. In Kraft treten soll es jedoch erst am 1. August und nicht wie geplant ab 1. Jänner 2013.

Die Pensionen von Geringverdienern, die auch nach 40 Beitragsjahren und privater Zusatzvorsorge noch unter der Grundsicherung liegen, sollen aus Steuermitteln aufgestockt werden.

Keine Einigung auf Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten

Nicht geeinigt hat sich die Koalition auf eine bessere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der Berechnung der Pensionshöhe. Aus Koalitionskreisen hieß es, man habe im Wahljahr eine Diskussion vermeiden wollen, bei welchen Jahrgängen die Grenze gezogen werden müsse. Finanziell undenkbar sei, alle Mütter rückwirkend besserzustellen.

Die CSU konnte sich mit ihrer Forderung nach mehr Geld für die Verkehrswege weitgehend durchsetzen. Trotz der anvisierten rascheren Haushaltskonsolidierung bekommt der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) dafür weitere 750 Millionen Euro. Verlangt hatte er eine Milliarde Euro. Das Geld soll vorrangig für Neubauprojekte eingesetzt werden.

Spielraum für neue Schulden

Der Haushalt 2014 soll strukturell ohne Neuverschuldung auskommen. Das heißt, dass Konjunkturschwankungen sowie Einmalzahlungen wie die dann fällige letzte Rate in Höhe von 4,3 Milliarden Euro an den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ausgeklammert werden. Damit hat die Regierung noch Spielraum für neue Schulden. Für das Einhalten der Schuldenbremse entscheidend ist das strukturelle Defizit.

Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses sollen nun so schnell wie möglich in den Bundestag eingebracht werden, damit sie noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden können. Die als zerstritten geltende Koalition stand unter erheblichem Druck, bei dem Treffen ihre Einigungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Dies gilt insbesondere für die im Dauer-Umfragetief steckende FDP unter ihrem Vorsitzenden Philipp Rösler. Vor der wichtigen Wahl in Niedersachsen im Januar hofft sie auf eine Trendwende. Die SPD sprach im Vorfeld von einem Kuhhandel, um Wahlgeschenke auf Kosten der Steuerzahler verteilen zu können. (APA, 5.11.2012)