Mussten der akustischen Rohgewalt weichen: das Arditti-Quartett.

Foto: Arditti Quartett

Wien - "Die Disponierung dieses Abends hat sich als schwerer, bedauerlicher und vermeidbarer Fehler erwiesen, für den wir uns bei den Künstlern und vor allem bei unserem Publikum entschuldigen müssen." So prosaisch kommentierte die Leitung des Wiener Konzerthauses das, was sich am Freitagabend neben dem Grönemeyer-Konzert abgespielt hatte.

Im Mozart-Saal war ein Wien-Modern-Konzert mit dem Arditti Quartet angesetzt gewesen, und im Vorfeld schien man bereits irgendwie geahnt zu haben, dass da etwas störend aus dem Großen Saal herüberklingen könnte, denn die Beginnzeit wurde um eine halbe Stunde früher angesetzt als ursprünglich geplant.

Das reichte freilich nicht, sodass Matthias Losek vor Beginn erklärte, man könne die zweite Konzerthälfte womöglich nicht spielen. Und so war es dann auch. Dass ausrechnet Luigi Nonos Fragmente - Stille, an Diotima der Fehlplanung zum Opfer fiel, mochte den Unmut des Publikums noch verstärkt haben, der sich über den künstlerischen Leiter des Festivals ergoss. Freilich traf der heftige Zorn wie oft in solchen Fällen den Falschen, da er sein Programm lange vor Grönemeyers Einmietung geplant hatte.

Nachträglich entschuldigte sich das Konzerthaus denn auch bei Wien Modern und gelobte Bernhard Kerres (Noch-Intendant des Konzerthauses und Noch-Präsident von Wien Modern), "einen derartigen Vorfall in Zukunft gänzlich auszuschließen".

Allerdings ist es schon früher vorgekommen, dass lukrative Fremdveranstaltungen Kammermusik- oder Liederabende störten.

Die Panne sagt also womöglich auch etwas darüber aus, wie wirtschaftliche und künstlerische Ziele einander in die Quere kommen können, um nicht zu sagen: welchen Stellenwert manche grundsätzlich zeitgenössischer Musik und anderen Minderheitenprogrammen geben.

Der Begriff Minderheit ist allerdings bei Wien Modern relativ, denn traditionell ist der Publikumszuspruch enorm. Gut besucht war auch der Streichquartett-Abend in jener Konzertreihe, die das Neue-Musik-Urgestein Lothar Knessl zum 25-Jahr-Jubiläum des Festivals programmiert hat.

Schwebendes Raunzen

Dass es dabei nicht nur bei einem Rückblick blieb, dafür sorgte - neben Musik von György Kurtág und Georg Friedrich Haas - die Uraufführung des 2. Streichquartetts von Bernd Richard Deutsch, in dem sich laut Einführungstext des 1977 geborenen Niederösterreichers "sonderbare Tiere in der Gewalt bizarrer, ungebändigter Kraftfelder" befinden.

Tatsächlich schienen raunzende Tierlaute durch das vital pulsierende, dann wehmütig-traurige Stück zu schweben, das vom Arditti Quartet mit der ihm eigenen Schroffheit ausgestattet wurde. Wer an Deutschs Amalgamierung neoklassizistischer und freitonaler Muster und klangtechnischer Frischzellen Gefallen findet, darf sich freuen. Denn soeben wurde bekannt, dass er den Erste-Bank-Kompositionspreis 2013 erhält; sein neues Stück soll beim nächsten Festival uraufgeführt werden. Und das vermutlich störungsfrei.   (Daniel Ender, DER STANDARD, 5.11.2012)