Nokia Lumia 920: Gutes Telefon, schwaches Ökosystem.

Foto: Nokia

Der Launch von Nokias neuem Flaggschiff Lumia 920 steht bevor - zumindest in den USA und anderen ausgewählten Märkten. Österreich gehört nicht dazu, hierzulande wird das Gerät wohl erst 2013 im Rahmen eines Mobilfunkvertrags erhältlich sein. Über Händler wie Cyberport kann das Gerät jedoch schon auf dem Importweg erstanden werden.

Blogs und Techmagazine hatten erstmals die Gelegenheit, das Windows Phone 8-Gerät in seiner finalen Fassung auszuprobieren. Der Tenor ist dabei großteils positiv.

"Ein Panzer"

185 Gramm wiegt das Gerät mit dem 4,5-Zoll-Display. Es ist 10,7 Millimeter dick. Bei The Verge hat man diese Dimensionen dem iPhone 5 (112 Gramm, 7,6 Millimeter Dicke) gegenüber gestellt und befindet: "Das Lumia 920 ist ein Panzer von einem Telefon". Die Blaue und türkise Ausgabe wird für ihr mattes, kratzfestes Cover gelobt. Über die glänzende Oberfläche der anderen Farbvarianten will aber weder bei The Verge noch bei Engadget so rechte Freude ("Fingerabdruckmagnet") aufkommen.

Lob gibt es für die solide Verarbeitung. Das Telefon wirkt wie aus einem Guss, so das Urteil. "Ein weiteres kunstvoll produziertes Smartphone vom Nokia Design Team, das daran erinnert, dass die Firma dahinter weiß, wie man verlockende Hardware baut", wird konstatiert. Das Lumia ist nicht nur groß, sondern auch robust. Oder wie es Engadget formuliert: "Ein Monstertruck".

Gelungenes Display

Weitestgehend einig sind die Tester sich auch beim "Pure Motion HD+"-Display. Zwar sind die Schwarztöne trotz "ClearBlack"-Technologie nicht so tief wie beim Vorgänger, dem Lumia 900, dafür wirken die Farben angenehm natürlich und nicht so grell, wie beispielsweise auf AMOLED-Panels. IPS+ macht sich ebenfalls bezahlt: Nur bei sehr spitzen Betrachtungswinkeln werden die Farben stark gedimmt.

Die Reaktionszeit des Bildschirms liegt bei 9 Millisekunden. In der Praxis zeigt sich das durch weniger Verwischungseffekte, wenn man sich etwa durch das Menü von Windows Phone 8 bewegt. Positiv aufgefallen ist auch die deutlich bessere Ablesbarkeit unter starker Lichteinstrahlung - die automatische Adjustierung der Helligkeit soll gut funktionieren - und die Bedienbarkeit mit Handschuhen. Text ist klar und deutlich ablesbar

Kamera: Stark in der Nacht

Ein wichtiger Punkt ist die Kamera, immerhin wirbt Nokia ja mit "PureView"-Technologie, wenngleich es sich beim Lumia 920 dabei nicht um den 41-Megapixel-Sensor des Nokia 808 handelt. Die Kamera-App ist vom Funktionsumfang etwas spartanisch gehalten, Features wie Burst Shot lassen sich aber über die Nokia App Collection und den Windows App Store nachträglich einpflegen.

In der Tat schneidet das Lumia bei Aufnahmen mit wenig Licht erheblich besser ab, als die Konkurrenz aus dem eigenen oder iOS- bzw. Android-Lager. Die Bilder sind heller und detailierter, wenngleich sich ein gewisses Rauschen und Verschwommenheit auch hier nicht komplett verhindern lässt.

...Schwächen am Tag

Bei Engadget attestiert man der Kamera dafür Probleme bei Aufnahmen unter Tageslicht. Hier sollen Bilder zu Detailarmut und leichter Verschwommenheit neigen - offenbar hat der Autofokus ausgerechnet bei guten Lichtbedingungen Probleme. Dazu schlägt Nokias Post-Processing-Algorithmus fallweise über die Stränge. Es kann passieren, dass drei Bilder unter gleichen Bedingungen mit jeweils unterschiedlichen Grundtönen unterlegt sind und bei Videoaufnahmen dieser plötzlich umschlägt. Die Blogger haben Nokia mit den Problemen konfrontiert, der finnische Konzern arbeitet bereits an Software-Tweaks, um es zu beheben.

Einstimmiges Lob erhält die Videofunktion. Die mechanische Bildstabilisation mit kleinen Federn macht sich bezahlt. Engadget: "Man macht die besten Videos, die man bisher auf einem Smartphone gesehen hat."

 

(Video-Test von The Verge)

Nokia Maps überzeugt

Nokia übertrumpft die WinPhone-Konkurrenz durch die Beigabe eigener Apps. Am deutlichsten sticht dabei Nokia Maps samt CityLens heraus, das sich wie "ein aufgebohrtes Bing Maps" verhält. Im Vergleich zur Standard-App beherrscht die Eigenbau-Variante das Abspeichern von Karten für Offline-Nutzung, unterstützt erweiterte, gut funktionierende Augmented Reality-Features , sprachgestützte Turn-by-Turn-Navigation und bietet auch Indoor-Wegfindung für bestimmte Venues an.

Nokia Music wurde mit zusätzlichen Content ausgestattet. Mix Radio bietet einen Gratis-Musikstream à la Spotify oder Pandora. Die Software unterstützt nun den Dolby-Standard und bietet einen Sieben-Kanal-Equalizer.

Kop-an-Kopf-Rennen mit HTC 8X

Das Betriebssystem selbst macht einen soliden Eindruck und läuft schneller und stabiler als die Vorgängergeneration. Für The Verge fühlt sich die Bedienung des Lumia 920 einen Tick schneller an als des HTC 8X, an dem sich das Nokia-Gerät auch in Sachen Hardware messen lässt. Engadget sieht beide Phones in Sachen Performance auf Augenhöhe - was bei der nahezu identen Komponentenausstattung wenig verwundert.

Der 2.000-mAh-Akku hält selbst bei starker Nutzung des LTE-Moduls einen Tag lang durch. Spürbare Einbussen gibt es aber bei häufiger Verwendung im Freien, da die Displayhelligkeit für bessere Ablesbarkeit dann erhöht wird.

Windows-Ökosystem hinkt nach

Die insgesamt gelungene Hardware des Telefons als auch Nokia-spezifische Zusatzfeatures täuschen allerdings nicht über das im Vergleich zu iOS und Android noch schwache Ökosystem hinweg. Die Spieleauswahl im Appstore ist großteils dürftig und veraltet, auch in allen anderen Kategorien hält das Angebot nicht mit. Gleiches gilt für anderen Store-Content.

Daran etwas zu ändern ist nun vor allem die Aufgabe von Microsoft. Das Lumia 920 ist jedenfalls "ein weiteres Hardware-Glanzstück von Nokia".
 (red, derStandard.at, 04.111.2012)