Federico Pistono präsentierte seine Zukunftsvision und...

Foto: derStandard.at/Pichler

...zwei Pfade ins Morgen, zwischen denen die Menschheit sich entscheiden muss.

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Der „Ideen-Talk" TED gastiert in Form der autonom organisierten TEDx Vienna zum dritten Mal in der österreichischen Bundeshauptstadt. Die Veranstaltung steht dieses Jahr unter dem Motto „Instanity - everything now" („Alles jetzt"). Die ersten fünf Talks befassten sich mit der Bedeutung von Technologie für die Gesellschaft und die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sie uns bringt und noch bringen wird.

Als Moderator konnte Organisator Vlad Gozman den Journalisten und TV-Moderator Markus Mooslechner gewinnen. Dieser liefert zu jedem Sprecher eine kurze Präsentation, die die Person vorstellt und in ihr Thema einführt.

1,5 Millionen Texte aus Maschinenhand

Den Start machte Federico Pistono, der als Autor, Aktivist und Sprecher um die Welt zieht. Er beschäftigte sich mit einer Gesellschaftsvision und forderte angesichts der fortschreitenden Technisierung eine Abkehr vom „Arbeitsparadigma". Immerhin machen uns Maschinen zunehmend Jobs streitig. 1,5 Millionen Texte in wichtigen Medien werden heuer bereits von klugen Algorithmen verfasst, wie Mooslechner schon vorab feststellte.

Exponentialität

Unternehmen, die mithalten wollen, müssen exponentielle Entwicklungen erkennen, meint Pistono. Tun sie das nicht, scheitern sie, meint der 26-jährige Visionär und verweist auf Kodak. Die US-Firma hielt 1976 bei einem Anteil von 90 Prozent am US-Kameramarkt und brachte die erste Digitalkamera auf den Markt. Heute ist das Unternehmen bankrott und hat viele Sparten verkauft. Seine Tätigkeiten umfassen praktisch nur mehr die Analogfilmherstellung und den Druckbereich.

Obwohl Kodak mit seiner Digicam ein Vorreiter war, hatte man den Fehler gemacht, diese Technologie lediglich als Spielzeug zu betrachten. Doch sie boomte. Vom Schnappschussgerät bis zur Profi-Spiegelreflexkamera - fast jeder Fotograf arbeitet digital. Die Technologie findet sich in Computern, Smartphones und anderen Geräten. Kodak verpasste die Entwicklung.

Roboter und kluge Autos als Arbeitsplatzkiller

Anders Foxconn. Der chinesische Fertiger beschäftigt derzeit ein Heer von 1,2 Millionen Arbeitern. Um die Effizienz zu steigern und die Personalkosten zu senken, will man mittelfristig eine Million Roboter in den eigenen Fabriken stationieren. Doch nicht nur Fließbandarbeit ist gefährdet. Vom Hausmeister bis zum Journalisten könnten Maschinen künftig immer mehr Arbeit immer schneller und fehlerlose ausführen.

In den USA leben 3,6 Millionen Menschen und damit rund 2,6 Prozent der Bevölkerung davon, Autos und LKWs zu fahren. Bei Google entwickelt man selbstfahrende Vehikel, die solche Aufgaben künftig übernehmen könnten, dabei schneller ans Ziel kommen, umweltfreundlicher unterwegs sind und weniger Unfälle produzieren.

Dies wird unweigerlich dazu führen, dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Doch wo liegt der Ausweg? Pistono beschreibt ihn in seinem Buch „Robots will steal your job, but that's okay" („Roboter werden dir deinen Job klauen, aber das passt schon") einen Ausweg, denn er hat, wie er augenzwinkernd formuliert, vielleicht den „Sinn des Lebens" entdeckt.

Die Lösung liegt nicht in einer Techniksteuer, gesetzlicher Regulierung oder Umschulungen. Auch nicht in Konfuzius' Weisheit, sich eine Erwerbsarbeit zu suchen, die Spaß macht, um sie nicht als Arbeit zu empfinden - wenn es eben keine gibt. 80 Prozent der Beschäftigten hassen ihren Job, der ohnehin bald automatisiert wird, sagt Pistono.

Zwei Zukunftsvisionen

Er fordert nichts Geringeres als den Bruch mit dem „Arbeitsparadigma", dem Arbeiten, um Geld zu verdienen, um Leben zu können. Seine Vision der Zukunft ist - und dabei hält er es mit dem 2008 verstorbenen Sci-Fi-Schriftsteller Sir Arthur Charles Clarke - „komplette Arbeitslosigkeit, damit wir spielen können". Permanentes Wirtschaftswachstum bei hoher Beschäftigung und begrenzten natürlichen Ressourcen führt in eine katastrophische Zukunft, prognostiziert Pistono.

Er sagt, Maschinen können uns bald fast alles abnehmen, weil sie in vielem effizienter und besser sind. Sie werden es ermöglichen, das Konzept „Arbeiten zum Leben" ad acta zu legen, wenn wir dies zulassen. Kein leichter weg, angesichts dessen, dass genau diese Prämisse nach wie vor ein dominierendes, politisches Leitmotiv ist, wie auch Barack Obama mit seinem Auftritt als „Job Creator" im Wahlkampf-Finish demonstriert.

"Wir sind für großartige Dinge geschaffen"

Pistonos Vision würde aktuell wohl weder ihm, noch dem republikanischen Herausforderer Mitt Romney gefallen, sagt er doch - mit einem Seitenhieb auf den bürokratischen Apparat - dass die vorherrschende Agenda auch für die Schaffung eigentlich unnötiger Posten verantwortlich ist.

„Wir wurden als Spezies für großartige Dinge geschaffen, Sachen die wir uns noch gar nicht vorstellen können", meint der junge Autor. „Ich will eine Zukunft mitgestalten, auf die ich stolz sein kann und in der meine Kinder einmal wachsen können." (Georg Pichler, derStandard.at, 03.11.2012)