"Ich zieh hier nie wieder aus." Die Festivalleiterein Nuschin Vossoughi samt selbstgebasteltem Couchtisch in ihrer Wohnung in Wien-Neubau.

Foto: Lisi Specht

Nuschin Vossoughi, Leiterin von Voice Mania, das nächsten Freitag startet, lebt am Puls der Stadt. Wojciech Czaja besuchte sie in ihrer Wiener Orient-Okzident-Wohnung.

"Ich liebe diesen Kamin. Den hat mein Bruder vor einer Ewigkeit gemauert. Und deswegen werde ich hier wahrscheinlich nie wieder ausziehen. Die Wohnung ist zwar ein bisschen dunkel, weil sie im ersten Stock liegt, aber das warme Feuer in der kalten Jahreszeit ist für mich wie eine kuschelige Mitte. Wenn ich dann endlich mal einen Abend zu Hause verbringe, was nicht sehr oft vorkommt, dann mache ich's mir auf der Couch bequem. Das ist meine Entspannungsoase.

Die Wohnung liegt in der Neubaugasse und hat 85 Quadratmeter. Es gibt Wohnzimmer, Schlafzimmer und Arbeitszimmer sowie die üblichen Nebenräume, wobei ich die Küche eigentlich nie benütze. Den Kaffee hole ich mir meist aus der Bäckerei, weil der viel besser ist, und kochen tu ich sowieso nicht. Nein, stimmt nicht! Erst kürzlich hatte ich Besuch, und da habe ich meinen Gästen ein persisches Nationalgericht aufgetischt: Mirzaghasemi. Ich war zuvor im persischen Restaurant und habe mich in einem Crashkurs einschulen lassen. Hat ganz gut geklappt!

Ich führe ein Leben mit zwei Identitäten. Ich bin Perserin und Österreicherin zugleich. Mein Leben wird immer eine Mischform bleiben. Und egal, wo ich bin, lebe ich einen Mix aus Orient und Okzident. Man wächst quasi damit auf, Verständnis für das Andere zu haben. Wenn das nicht großartig ist!

Das Einzige, womit ich mir in Österreich bis heute etwas schwertu: In Persien ist das Haus ein offener Ort, an dem man unkompliziert jederzeit Besuch empfängt. Ich kann mich erinnern, dass in unserem Haus in Teheran ein permanentes Kommen und Gehen war. Das ist in Österreich anders. Man wird nur selten nach Hause eingeladen. Meist trifft man sich im Café oder in der Öffentlichkeit. Ich gebe zu, das war ein gewisses Umdenken.

Jedenfalls hatte ich früher in der ganzen Wohnung einen Sisal-Boden. Das hat gut ausgeschaut und hat vor allem auch gut gerochen. Aber irgendwann konnte man den Boden nicht mehr reinigen, sodass ich beschlossen habe, alles rauszureißen und durch einen Holzboden zu ersetzen. Eichen-Stabparkett in Fischgrät. Das ist jetzt richtig praktisch. Ich mag es nicht, die Schuhe auszuziehen. Ich könnte meine Gäste nie darum bitten, ihre Schuhe auszuziehen, geschweige denn Pantoffeln anzuziehen. Das ist ein Tabu. Unvorstellbar!

Was die Einrichtung betrifft: Ich mag gedämpfte Farben. Ich selbst trage zwar fast immer Schwarz, aber es gibt in der ganzen Wohnung kein einziges Möbelstück in dieser Farbe. Wie man unschwer erkennt, bin ich der Farbe Gold nicht ganz abgeneigt. Das ist die orientalische Nuschin in mir.

Ein paar Möbel habe ich selbst gebastelt. Der Couchtisch etwa ist ein großer Blumentopf mit einer Glasplatte drauf. Der Topf ist mit Sand angefüllt, drinnen gibt's ein Stillleben mit kleinen Erinnerungsstücken an das Meer: Muscheln, Korallen und Rosen. Kitschig, aber schön! Und die Stehleuchte, auch wenn sie aussieht wie aus einem teuren Designergeschäft, ist eine billige Ikea-Lampe mit einem Papierschirm. Das einzige Prunkstück ist der Spiegel. Der hat schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel.

Zurzeit sind meine Wohnträume erfüllt. Ich bin hier glücklich, und das passt. Meine Familie hat ein Landhaus am Semmering. Das heißt, wenn ich mich mal nach Ruhe und Natur sehne, bin ich bei ihnen jederzeit willkommen. Ansonsten bin und bleibe ich ein Großstadtmensch. Man hört hier zwar den Verkehr, aber irgendwann hat man sich an den Straßenlärm gewöhnt, und dann nimmt man die Autos nicht mehr wahr. Was bleibt, ist der Eindruck einer dichten, bunten und lebendigen Stadt. Hier im Siebenten bin ich so richtig am Puls. Ich liebe das. Das bin ich." (DER STANDARD, 3./4.11.2012)