Berlin/Ankara - In der Debatte über einen möglichen Beitritt der Türkei zur EU hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihrem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan aufrichtige Verhandlungen zugesichert. "Die EU ist ein ehrlicher Verhandlungspartner", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. Die Verhandlungen mit Ankara liefen und würden fortgeführt. "Deutschland steht zu diesem Prozess", sagte die Kanzlerin.

Die Gespräche würden "ergebnisoffen geführt", das sei auch bei der Aufnahme der Verhandlungen so festgeschrieben worden, sagte Merkel weiter. Die Tatsache, dass die CDU nur eine sogenannte privilegierte Partnerschaft zwischen der Türkei und der EU favorisiere, sei "eine Frage, in der wir nicht übereinstimmen", sagte Merkel an Erdogan gerichtet. "Aber damit haben wir gelernt zu leben."

Zypern-Konflikt

Erdogan blieb bei den Diskussionen über einen EU-Beitritt seines Landes beim Thema Zypern-Konflikt hart. "Dass Süd-Zypern aufgenommen wurde in die EU, das ist ein Fehler gewesen. Und dieser Fehler wächst immer weiter." Erdogan sagte, Merkel sehe das auch so. Die Kanzlerin regierte nicht darauf. Ankara will Vollmitglied der EU werden, erkennt das EU-Mitglied Zypern aber nicht an. Dies ist einer der Streitpunkte. Erdogan sagte: "Wir erkennen Nord-Zypern als Staat an." Er beklagte, dass die Türkei bei vielen Gesprächen der EU "gänzlich außen vor gestellt" werde.

Erdogan setzte sich dafür ein, den rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland eine doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten. Er wünsche sich, dass türkische Bürger oder deutsche Bürger mit türkischen Ursprüngen in Deutschland diese Möglichkeit bekommen. Zugleich ermunterte er die rund 50.000 Deutschen in seinem Land, die türkische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dies sei auch im Hinblick auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern zu betrachten.

Der türkische Regierungschef forderte die Vereinten Nationen erneut auf, die Uneinigkeit in der Frage einer Schutz- oder Flugverbotszone im Norden Syriens zu überwinden. Das Thema müsse vom UN-Sicherheitsrat behandelt und entschieden werden. Er selbst wiederholte die Forderung nach solchen Zonen nicht ausdrücklich.

Schutz für syrische Flüchtlinge

Die Forderung Ankaras, eine Schutzzone für Vertriebene auf der syrischen Seite der Grenze einzurichten, hat bisher international keine ausreichende Unterstützung erhalten. Die Türkei ist durch den Flüchtlingsstrom aus Syrien stark belastet. Nach Angaben der Regierung in Ankara leben rund 102.000 Flüchtlinge in 14 verschiedenen Camps. Weitere 70.000 Syrer leben nach Schätzungen in der Türkei außerhalb der Lager. Durch Schutzzonen im Norden Syriens erhofft sich Ankara hier eine Entlastung.

Merkel bezeichnete die Gewalt in Syrien als großes Problem für die Türkei. "Die Situation in Syrien ist für die Türkei eine echte Belastung", sagte sie und hob hervor, dass sich Ankara offen für Flüchtlinge aus Syrien zeige. Merkel dankte Erdogan für Besonnenheit im Umgang mit dem syrischen Konflikt und sicherte ihm gemeinsame Verantwortung als Nato-Partner zu. Erdogan sagte: "Wir brauchen unbedingt Unterstützung und Beistand von Deutschland." Merkel kündigte eine Türkei-Reise 2013 an.

Ferner sagte Merkel der Türkei intensive Unterstützung im Kampf gegen die als terroristisch eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu. Deutschland werde alles tun, um terroristische Aktivitäten der PKK zu unterbinden. Dies gelte gerade auch dann, wenn es um mögliche Planungen der PKK von deutschem Boden aus gehe. Erdogan hatte Deutschland und Frankreich vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen Anhänger der PKK vorzugehen. (APA/Reuters, 31.10.2012)