Targa Florio 1972, Helmut Marko auf Alfa TT 33/3.

Foto: alfa romeo

Nino Vaccarella im Targa-Siegeskranz rechts, 1971.

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Die Streckenvarianten der Targa Florio.

grafik: der standard

Das warme Meer rauscht im Hintergrund, Regen liegt über den Küstenbergen, 235 PS der Alfa Romeo Giulietta 1,8 TBI freuen sich auf die Fahrt durch das Hügelland bei Palermo, wo einst die großen Marken um Punkte für die Weltmeisterschaft kämpften. Natürlich trägt das Flaggschiff der Alfa-Familie das grüne Kleeblatt, Quadrifoglio Verde, den Glücksbringer, den sich 1923 Udo Sivocci von seinen Mechanikern anbringen ließ. Dieses Zeichen reicht Alfa Romeo von Generation zu Generation weiter, als Symbol für sportliche Kompetenz.

1972 fiel an der sechs Kilometer langen Geraden bei Campofelice di Roccella, parallel zur See, mit phasenweise rund 300 km/h die Entscheidung über Sieg oder Niederlage bei der Targa Florio, und damit sind wir mitten in einem Duell der Doktoren. Der Jurist Helmut Marko aus Graz nämlich sicherte sich hier auf Alfa Romeo TT 33/3 mit 33,41 Minuten den ewigen Streckenrekord. Ein sagenhafter Schnitt von 128,253 km/h, für den Targa-Gründer Vincenzo Florio 1906 gewiss unvorstellbar.

Die Gerade mündete in den letzten Streckenabschnitt vor dem Start-Ziel-Bereich bei Cerda, mit seinen Boxen und Tribünen. lm 20-Sekunden-Takt schickte man die Teilnehmer auf die zehn Runden, 900 Kurven in jedem Umlauf überstiegen jedes Merkvermögen. Marcos "Duellgegner", der Dreifachsieger und Lokalheld Nino Vaccarella, Schulleiter, Geschichtsprofessor, hatte ein Geheimrezept: Lächelnd erzählte uns der bald 80-Jährige von extra angebrachten Zeichen an Hausmauern entlang der Strecke, und die waren nur ihm verständlich.

Trostloser Zustand

Der historische Zielbereich ist 2012 eine Ruine, eingebettet in Unrat wie die ganze Gegend. In Cerda, dem verschlafenen Städtchen mit dieser langen Geraden im Ortsbereich, erinnert nichts mehr an die großen Targa-Tage. Genau dort durchbrach 1965 Mike Parkes auf Ferrari erstmals die 300-km/h-Schallgrenze. Alle Versuche, heute mit der Giulietta ein wenig Targa-Florio-Kurvendrifts hinzulegen, unterbindet der trostlose Zustand der Straße abrupt, kein Euro aus Brüssel kam je hier an.

Wie die beiden Dottori Marko und Vaccarella mit ihrem Alfa TT 33/3 einst um den Kurs jagten mit ihren 650 kg leichten, 440 PS starken Boliden, lässt sich kaum mehr nachvollziehen, und das waren Rennwagen mit Nummernschildern, kein Witz, man fuhr ja auf öffentlichen Straßen, angefeuert von 200.000 Zusehern.

Museale Würdigung

Heutzutage lädt in Collesano ein professionell gestaltetes Targa-Museum zum Boxenstopp ein. Besonders ergreifend ist die Krypta der großen Namen der damaligen Rennszene. Gerhard Mitter, Rolf Stommlen, Joakim Bonnier, lgnazio Giunti, Ricardo Rodriguez, Ronnie Peterson, Josef Siffert, Ludovico Scarfiotti, Achille Varzi: Sie alle starben keinen Heldentod, sondern sinnlos in filigranen Rennmaschinen. 1977 schlugen die Behörden das Buch der Targo Florio zu, das Risiko war nicht mehr zu verantworten. Für die Fans bleibt sie, wie die echte Mille Miglia, verblassende Historie. (Peter Urbanek, RONDO mobil, 27.10.2012)