London - Die israelische Regierung hat im Streit über das iranische Atomprogramm überraschend ein Signal der Entspannung gesendet: Verteidigungsminister Ehud Barak sagte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview, die iranische Regierung habe ihre Absicht vorerst auf Eis gelegt, eine Atomwaffe zu bauen. Eine größere Konfrontation sei zumindest vorerst abgewendet, nachdem sich die Führung in Teheran zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr entschieden habe, mehr als ein Drittel ihres mittelstark angereicherten Urans für zivile Zwecke zu nutzen. Diese Entscheidung erlaube "die Erwägung, den Moment der Wahrheit um acht bis zehn Monate zu verschieben", sagte Barak dem "Daily Telegraph".

Seinen Worten zufolge könnten die Drohungen mit einem israelischen oder einem US-Angriff auf das Atomprogramm die Führung in Teheran zum vorläufigen Einlenken bewegt haben. Auch die Absicht, vor der US-Wahl Zeit zu gewinnen, könne eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, die Eskalation zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf die Spitze zu treiben, sagte Barak.

Gleichwohl warnte er, an der grundsätzlichen Absicht Irans, eine Nuklearmacht zu werden, habe sich nichts geändert. "Wir alle stimmen darin überein, dass die Iraner entschlossen sind, Atommacht zu werden, und wir alle teilen die Auffassung, dass wir fest entschlossen sind, dies zu verhindern und dass dazu alle Optionen auf dem Tisch liegen", sagte Barak, der sich im Januar Parlamentswahlen stellen muss.

Militärschlag weiter möglich

Er bekräftigte die Haltung der israelischen Regierung, dass Israel sich einen Militärschlag auch weiter vorbehalten müsse. "Wenn es um den Kern unserer Sicherheitsinteressen und in gewisser Weise um die Zukunft Israels geht, können wir die Verantwortung nicht an andere delegieren, nicht einmal an unseren allerengsten Verbündeten", sagte der Verteidigungsminister.

Israel behält sich seit längerem das Recht auf einen Angriff auf das iranische Atomprogramm vor, falls die verhängten Sanktionen gegen den Iran und die diplomatischen Bemühungen um ein Einlenken der Teheraner Führung im Atomstreit fehlschlagen. In seiner Rede vor den Vereinten Nationen hatte Regierungschef Benjamin Netanyahu im vergangenen Monat erklärt, der Zeitpunkt könnte im Frühjahr oder Sommer gekommen sein. In keinem Fall werde Israel einen Iran mit Atomwaffen akzeptieren, weil dies eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat bedeute.

Die iranische Führung leugnet den Holocaust und hat öffentlich verkündet, Israel werde früher oder später von der Weltkarte verschwinden. Die Führung in Teheran unterstützt Israels Feinde Hamas im Gaza-Streifen und Hisbollah im Libanon. Die Staatengemeinschaft verdächtigt Iran unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernenergie ein Atomwaffenprogramm zu betreiben und hat deshalb Sanktionen verhängt. Iran bestreitet die Absicht, nach der Bombe zu streben. (APA, 31.10.2012)