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Friedhelm Frischenschlager: Missbrauchte Wehrdebatte.

Foto: APA/Pfarrhofer

Hans Magenschab fällt in einem Kommentar der anderen ("Nein, keine Bananenrepublik", 25.10.) über General i. R. Hubertus Trauttenberg her, weil dieser für ein Abgehen vom derzeitigen Wehrsystem eintritt. In einem Stil und mit Inhalten, die ahnen lassen, was uns bis zur Volksbefragung im Jänner noch alles bevorsteht.

Unter dem Titel "Nein, keine Bananenrepublik" greift Magenschab (ehemals Pressesprecher von Bundespräsident Thomas Klestil) seinen ehemaligen Kollegen (Adjutant) in der Präsidentschaftskanzlei an, dieser würde "für seinen ehemaligen Arbeitsplatz nur noch Schimpf und Spott übrighaben".

Klar: Wer - insbesondere als Offizier - sich nicht für die Beibehaltung des derzeitigen Wehrsystems ausspricht, der ist natürlich ein Feind des Bundesheeres, ein Hintertreiber, fast Verräter an der "einst von Erzherzog Johann 1809 organisierten, dabei von den Offizieren der Berufsarmee (sic!) behinderten 'Volksbewaffnung'", ja, es gehe am 20. Jänner "um eine Frage der österreichischen Identität", so das polemische Ende dieses offenen Briefes.

Wenn Magenschab schon die Geschichte bemüht, dann möchte ich ihn erinnern: Wehrpflicht für sich ist weder gut noch schlecht. Er möge wenigstens nicht vergessen: Es waren auch die nationalistisch/ideologisch aufgeheizten Massenheere auf Basis der Wehrpflicht, die die Katastrophen-Kriege des 20. Jahrhunderts möglich machten!

Nicht die Sache zählt

Magenschabs Anwürfe richten sich eigentlich selbst, wären sie nicht ein Musterbeispiel von politischer Diskursunkultur:

Zunächst wird klar, worum es Magenschab eigentlich geht: Nicht um die Sache, sondern: Mit "Deiner leidenschaftlichen Lust, die Wehrpflicht abzuschaffen, unterstützt Du (Trauttenberg) VM Darabos, der sich vom Saulus zum Paulus gewandelt hat". Das kennen wir: Nicht was, sondern wer etwas sagt, ist entscheidend, ob richtig oder falsch. Das kann sich ändern mit der Zeit - siehe auch Darabos. Aber Magenschab sollte sich der Flexibilität seiner eigenen Partei nach 2000 erinnern: "Der Nato-Beitritt kommt wie das Amen im Gebet" (Andreas Khol), oder Bundeskanzler Schüssel - "die Neutralität gehört ins Museum". Lassen wir das besser.

Aber ob General Trauttenberg vielleicht aus seiner Erfahrung heraus gute Gründe hat, warum er sich gegen die Beibehaltung der Wehrpflicht ausspricht, also seine inhaltliche Position, ist für Magenschab völlig irrelevant. Für ihn ist das Bundesheer "eine bewährte öffentliche Institution". Basta. Und wenn sich "Darabos und Trauttenberg durchsetzen", dann geht die militärische Welt in Österreich unter: "Es könnte eine Art Freiwilliger Feuerwehr übrigbleiben" - wie wir ja bei allen Berufsarmeen rundherum sehen. Um die Sache geht es Magenschab also nicht. Lassen wir auch das einfach so stehen.

Wirklich ärgerlich wird dieser "offene Brief" durch die Moralisiererei in Form der Gegenüberstellung der Generäle Entacher und Trauttenberg: Da gehört schon einiges dazu, wenn Magenschab als ehemaliger hoher Beamter meint, Entacher wäre wegen seines Widerspruchs gegenüber Darabos "Maria-Theresien-Orden"-verdächtig, während Trauttenberg als Adjutant nie "die Verteidigungs- und Neutralitätspolitik Klestils verworfen" hätte, sich aber jetzt für ein neues Wehrsystem einsetze, quasi eine posthume Illoyalität.

Mit Verlaub, das ist wirklich schäbigste Argumentation. Entacher hat - unter Berufung auf das Recht der freien Meinungsäußerung - in der Wehrsystemfrage dem Verteidigungsminister öffentlich widersprochen. Das ist sein gutes Recht, als Bürger dieses Landes. Wenn aber der Generalstabschef den persönlichen Widerspruch zur politischen Kampfposition gegen seinen Minister aufbaut, halte ich das für nicht in Ordnung. Auch das wäre eine eigene Geschichte. Trauttenberg zugleich die seinerzeitige Loyalität zu seinem Bundespräsidenten vorzuwerfen und seine Meinungsäußerung als General im Ruhestand moralisch herunterzumachen, ist und bleibt letztklassig.

Die Ursache dieser und anderer Polemiken im Zuge der Wehrpflichtdebatte liegt in der seit 1989 verweigerten sachlichen Auseinandersetzung um die österreichische Sicherheitspolitik nach Ende des Kalten Krieges. Was in den 1970er Jahren als Folge der Kreisky-Parole "6 Monate sind genug" in die Verfassung geschrieben wurde, und die militärischen Konsequenzen daraus (Raumverteidigung, daher Miliz und deshalb Wehrpflicht usw.) waren bis 1989 sinnvoll und logisch, an der Ausführung haperte es allerdings, und zwar unter allen Regierungen.

Nach EU-Beitritt sowie "Einschluss" Österreichs von Nato-Ländern stimmen diese Grundlagen der Sicherheits- und Militärpolitik nicht mehr, sind zu überarbeiten, dann ist zu entscheiden, ob Wehrpflicht noch sinnvoll ist oder nicht. Aber so läuft das nicht hierzulande, sondern das emotionalisierende Thema Wehrpflicht wird als Vorwahlkampf inszeniert - und damit auch die direkte Demokratie missbraucht.

Mich empört an diesen Anwürfen gegen Trauttenberg, dass er wegen einer in der Sache pointierten Position, nur weil diese im Widerspruch steht zur Meinung von Magenschab und zur heutigen Haltung seiner Partei, diffamiert wird bis hin zur Behauptung, ein eschädiger der "österreichischen Identität" zu sein.

So stelle ich mir politische Kultur und demokratische Auseinandersetzung nicht vor, schon gar nicht in Zusammenhang mit einer wichtigen Entscheidung durch direkte Demokratie. Wir sollten Derartiges nicht einfach hinnehmen, daher diese Erwiderung. (Friedhelm Frischenschlager, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)