Scheibchenweise verkleinert sich der Straßenstrich in Wien. Im Prater darf seit Juni nur noch in der Nacht angeschafft werden, die Polizei kontrolliert scharf.

Foto: Der Standard/Christian Fischer

Wien - Die Wiese neben dem Parkplatz ist an manchen Stellen weiß gefleckt. Noch ist es kein Schnee, sondern gebrauchtes Klopapier, Taschentücher, Kondome. Die Frauen, die hier in Auhof stehen und darauf warten, dass sie für 30 Euro auf den Rücksitz eines Fremden klettern können, haben keine andere Möglichkeit, ihren Müll zu entsorgen. Geschweige denn auf die Toilette zu gehen oder sich nach dem Freier die Hände zu waschen.

In den Seitenstraßen des Wiener Praters zeigt sich nachts ein ähnliches Bild: Alle paar Meter stakst ein junges Mädchen in Hotpants auf dem Gehsteig entlang, beugt sich zu den vorbeirollenden Autos hinunter, lächelt verkrampft hinein; immer unter den Argusaugen von Halbstarken, die sich breitbeinig in der zweiten Reihe postiert haben. Das neue Gesetz habe neue starke Männer in Wien gemacht, heißt es in der Szene.

Druck der Anrainer

Seit sich der Straßenstrich auf die zwei Gebiete konzentriert, brauchen viele der Frauen einen "Beschützer", die vorher keinen hatten. Der sorgt dafür, dass sich nicht noch mehr billige Konkurrentinnen dazustellen: gegen Geld, versteht sich. Seit einem Jahr ist das neue Wiener Prostitutionsgesetz in Kraft. Sicherheit für die Frauen sollte es bringen und Ruhe für die Anrainer.

Warten auf weitere Erlaubniszonen

Auf weitere Erlaubniszonen, die von der Stadt in Aussicht gestellt wurden, warten die Frauen bis heute. Im Sommer verschärfte die Polizei auf Druck der Anrainer und Bezirkspolitiker die Einschränkung, seither darf im Prater nur nachts angeschafft werden.

Für das Geschäft gehen sie meistens ins Parkhaus, in der Nähe gibt es nur ein einziges erlaubtes Stundenhotel im Stuwerviertel, wo sie Gefahr laufen, bestraft zu werden, wenn sie das Lokal wieder verlassen. Auch an diesem Abend stehen fünf Polizisten mit einem Bus vor der Tür, sie kontrollieren jedes Mädchen. "Auf Wunsch der Anrainer", sagt einer von ihnen.

Positive Bilanz für Frauenberger

Die politisch zuständige Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SP), die zusammen mit den Grünen das Gesetz ausverhandelt hat, zieht positive Bilanz: Das Gesetz schaffe rechtliche Klarheit, dem Ziel, Prostitution in den "Indoor"-Bereich zu verlagern, sei man einen großen Schritt näher gekommen.

"Indoor" bedeutet, sich ein Zimmer in einem Laufhaus anzumieten, 80 Euro am Tag sind durchaus üblich, oft müssen sich die Prosituierten mehrere Wochen einmieten. Mit 1. November brauchen alle Betreiber solcher Lokale eine Genehmigung, nur ein Bruchteil hat bis jetzt die Auflagen erfüllt (siehe Wissen), viele werden schließen müssen.

Peter Laskaris, ein Zögling der Rotlichtgröße Harald Hauke, betreibt das Red Room. Von den 15 Zimmern sind noch einige frei, so wie in den meisten Laufhäusern Wiens. Auf dem Bett mit Leopardendecke kauern Kuscheltiere, es gibt eine Dusche, aber kein Fenster. Auf dem Nachtkästchen liegt eine Preisliste: Küssen 20 Euro, VIP-Service mit allem, was das Freierherz begehrt, 200 Euro. Ein junger Besucher huscht über den Flur, blättert verstohlen in den Broschüren, bevor er in einem der Zimmer veschwindet.

Verbesserte rechtliche Situation

Die rechtliche Situation habe sich mit dem neuen Gesetz verbessert, meint Laskaris, vor allem sei die Sittenwidrigkeit gefallen. Auch er hat noch keine Genehmigung, mache sich aber deswegen keine Sorgen, sagt er.

Für Christian Knappik von der Organisation Sexworker.at gehen mit den Laufhäusern große psychische und finanzielle Belastungen für die Frauen einher. "Die meisten schlafen oft dort, die Kosten sind enorm und treiben die Frauen in Kettenschuld." Wolfgang Langer, Referatsleiter der Wiener Polizei, sieht hingegen dort mehr Sicherheit für die Frauen als am Straßenstrich. "Die Polizei hat mit dem Gesetz die Möglichkeit bekommen, schlechte Lokale abzumahnen oder zusperren zu lassen." (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)