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Wo viele Bücher sind, kann Harry nicht weit sein, denken die Touristen und suchen in der zauberhaften Livraria da Lello e Irmão nach Potter-Spuren.

Foto: Rafael Marchante / Reuters

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Der Flughafen von Porto liegt nur 18 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Man erreicht es sehr gut mit der "Leichtmetro"-Linie E. Direktflüge von Wien aus gibt es nicht, aber etliche Fluglinien (Lufthansa, TAP, Niki, Swiss etc.) bieten Verbindungen mit einmaligem Umsteigen (Frankfurt, Lissabon, Palma, Zürich etc.). Das Anmieten eines Leihwagens lohnt sich für einen reinen Stadtbesuch eigentlich nicht. Porto selbst ist zwar ziemlich hügelig, aber alle Ziele sind zu Fuß, per Straßenbahn, Bus oder Taxi gut zu erreichen. Falls einem der Sinn nach einem Ausflug ins Douro-Tal steht, gibt es vor Ort bequeme Schiff-Bus-Kombi-Touren.

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Zentral, traditionell und elegant: das Infante Sagres; alle erwähnten Cafés, viele Restaurants und manche Sehenswürdigkeit in Gehweite. Überdrüber und very british : das neue Yeatman Hotel auf einem Hügel auf der anderen Seite des Flusses, inmitten von Portweinkellereien. Großartige Sicht über Porto, aber etwas weit vom Schuss. Wer es lieber belebter hat, findet im Vergnügungsviertel Ribeira eine passende Unterkunft: Hotel Carris Porto Ribeira. Für dünnere Brieftaschen empfiehlt sich das in der Nähe des Theaters gelegene Bed&Breakfast Porto Centro.

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In der zweitgrößten Stadt Portugals ist immer etwas los, etwa im wunderschönen Teatro Nacional und in der architektonisch interessanten Casa da Música. Außergewöhnlich: die Fundação de Serralves mit dem Museu de Arte Contemporânea, das immer wieder Wechselausstellungen beherbergt (demnächst eine Retrospektive des portugiesischen Künstlers Julião Sarmento); dazu gehört auch ein riesiger, mit Pflanzen und Skulpturen übersäter Park. Wer nicht ohne schwarzes Cape heimfahren will, findet dieses im Kaufhaus El Corte Inglés. Touristische Infos über Portugal: www.visitportugal.com

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Nachts in Porto. Noch keine Lust, schlafen zu gehen. Die Hotelbar hat schon geschlossen. Also ziellos herumstreunen auf der Suche nach einem Schlummertrunk. Zuerst vergeblich, denn Porto ist eine arbeitsame Stadt. Doch dann öffnet sich ein grandioser Platz, an dessen hinterem Ende sich wie in einer Fata Morgana noch Zeichen von Leben, Licht und Vergnügsamkeit erkennen lassen. Näher gekommen, erweist sich einem dieser Eindruck zwar als richtig, denn da befindet sich tatsächlich eine geöffnete und gut besuchte Bar, man reibt sich trotzdem die Augen wie bei einer Halluzination. Vor dem Lokal stehen nämlich unzählige junge Leute beiderlei Geschlechts, eingehüllt in schwarze ärmellose Capes. Wo ist man hingeraten? In eine "Fête noire"? In einen Harry-Potter-Themenabend?

Der vor sich hinmurmelnde Wirt füllt den leicht unter Magieschock stehenden Gast aus einer etikettenlosen Flasche bereitwillig mit einem unaussprechlichen mit Honig versetzten Getränk ab. Und er versucht ihn dahingehend zu beruhigen, dass es sich nur um eine ganz normale Studentenkneipe der nahegelegenen Universität handelt, und die Studentinnen und Studenten ganz einfach ihre traditionelle Studentenkluft tragen. Trotz zahlreicher akademischer Urkunden an den Wänden, die diesen Sachverhalt zu bestätigen scheinen - oder vielleicht gerade deshalb -, wird der Fremde den Verdacht nicht los, dass es eine Verbindung zwischen Harry Potter und Porto geben muss.

Ein Verdacht, der einen Kater später vom freundlichen Hotelportier erst so richtig angefacht wird. Ja, das könne schon sein, erwähnt dieser beiläufig, schließlich habe J. K. Rowling eine Zeitlang hier gelebt. Holy Wizard! Hat man doch nicht geträumt?

Portugiesisches Geheimnis

Nachdem das Internet erste rudimentäre Bestätigungen ausgespuckt hat ("Nach dem Tod ihrer Mutter nahm Joanne Rowling - wie sie damals noch hieß - einen Sprachlehrerjob in der Encounter English School in Porto an"), vor allem aber, nachdem man erfahren hat, dass die mittlerweile reichste Frau der Welt nur ungern über ihre portugiesische Periode spricht, gibt es kein Halten mehr. Da muss sich doch ein Geheimnis dahinter verbergen, dem muss man doch nachgehen.

Erste Station: das Café Majestic in der Rua da Santa Catarina. Ein über die Maßen prachtvolles, aufwändig restauriertes, denkmalgeschütztes Art-déco-Café, eines, wie es Touristen in Wien so oft vergeblich suchen. Das Interieur ist eine Augenweide, das Essen (das Majestic fungiert auch als Restaurant) nicht exorbitant, dafür aber die Preise. In den kalten Monaten macht sich die fehlende Heizung schmerzhaft bemerkbar, und spätabends kann es passieren, dass man mit einem alten Japaner allein in dieser Herrlichkeit weilt. An einem der historischen Holztische (es werden einem mehrere zur Auswahl gezeigt) soll Rowling jedenfalls die ersten drei Kapitel des ersten Potter-Buchs in Langschrift verfasst haben.

Zweite Station: die Disco Meia Cava im Hafenviertel Ribeira. Hier soll Rowling dem portugiesischen Fernsehjournalisten Jorge Antares zum ersten Mal begegnet sein; der sich in die (damals) rothaarige, blauäugige Schönheit Hals über Kopf verliebte. Gespräche über Jane Austen. Austausch von Telefonnummern. Erste Schwangerschaft. Streite. Eifersüchteleien. Versöhnung. Hochzeit. Wohnen bei der Schwiegermutter. Zweite Schwangerschaft. Den besagten Club selbst gibt es nicht mehr, aber hier in Portos angesagtester Amüsiermeile am Ufer des Douro-Flusses finden sich ohne Zweifel genügend andere Nachtlokale, in denen man sich das Aufflammen junger Liebe gut vorstellen kann.

Dritte Station: die Jardins do Palácio de Cristal - eine üppige, entspannende Parkanlage mit großartiger Sicht über den Douro. Ihren Namen verdankt sie jener Kopie des legendären Londoner Kristallpalasts, die in den 1950er-Jahren einer klobigen Betonsporthalle weichen musste. Hier, zwischen Rosenbeeten und Pfauen, soll unsere Heldin der Legende zufolge zuerst nach romantischen Spaziergängen mit ihrem Liebsten, dann nach Streiten mit dem Latin Lover, an Harry (wie sie auch ihr Kind, wäre es ein Bub geworden, genannt hätte) gearbeitet haben.

Bezaubernde Buchkathedrale

Vierte Station: die Livraria da Lello e Irmão, mehrfach zu einer der schönsten Buchhandlungen der Welt gewählt, aber nicht nur deshalb, sondern auch aus potterhaften Gründen bekannt. Es geht die Mär, dass unsere damals zukünftige Bestsellerautorin im Obergeschoß (in dem ein ziemlich spießiges Café eingerichtet ist) ihrer Fantasie freien Lauf ließ. Zudem diente dieses mit Holzvertäfelungen, Buntglasfenstern und einer einzigartig geformten Wendeltreppe ausgestatte Buchkathedrälchen als Drehort für das Geschäft, in dem Klein Harry seinen ersten Zauberstab kauft. Und somit sind hier alle "Fotografieren verboten"-Schilder zwar putzig, aber auch irgendwie vollkommen unnütz.

Die meisten Touristen wissen jedenfalls nicht, welcher Alibihandlung sie sich befleißigen sollen, um nicht als ausschließliche Potteristen und Rowlingisten aufzufallen. Denn die häufig antiquarischen Bücher sind alle in Portugiesisch verfasst, und so drucksen die ungebetenen Besucher verlegen herum, bis sie dann nach dem pflichtschuldigen Erwerb zweier Ansichtskarten die ungastliche Kultstätte fluchtartig verlassen. Aus der Serie: vergebliche Versuche, einen Hype zu domestizieren und so weiterzuleben, als ob er nicht existierte.

Natürlich gäbe es auch noch andere Rowling-Gedenkstätten zu besichtigen: die Sprachschule, in der alles anfing. Die Wohnung der Schwiegermutter, in der alles aufhörte. Das Café Estrela D'Ouro. Die Disco Swing. Das Standesamt.

Aber die Theorie von Potters Geburt in Porto hat sich ohnehin längst verselbstständigt, sodass man selbst bei der Besichtigung "normaler" Sehenswürdigkeiten Portos wie des unfassbar schönen Hauptbahnhofs mit seinen Azulejo-Fliesen, der schwindelerregend hohen Brücke über den Douro, des mit merkwürdigsten indianischen Wandmalereien ausgestatten Café Guarany, des in einem atemberaubenden Park gelegenen privaten Serralves-Museums, der von Rem Kohlhaas errichteten futuristischen Casa da Música und so weiter und so fort, nicht aufhören kann, an Verbindungen zum beliebtesten minderjährigen Rundbrillenträger der Welt zu denken - und daran, was JKR hier sonst noch als Inspirationsquelle gedient haben mag.

Sohn Harry im Gepäck

Man kommt zwangsläufig ins Assoziieren, Fantasieren, Spintisieren. Verdankt er seinen Nachnamen nicht vielleicht auch einer Verballhornung des Namens seiner "Geburtsstadt": Porto - Potto - Potter? Nach wiederholten unschönen Konflikten mit ihrem Südmacho verließ Joanne Rowling jedenfalls fluchtartig Portugal, ihre Tochter und die ersten drei Kapitel ihres "Sohnes" Harry im Gepäck.

Als einem auf der Fahrt zum Flughafen ein gigantisches Plakat der Portweinfirma Sandeman ins Auge springt mit deren eingängigem Logo, der Silhouette eines in ein schwarzes Cape gehüllten Mannes, will man auch nicht mit ganz leeren Händen, gänzlich unverwandelt, heimfahren. Man lässt also den Chauffeur im Universitätsviertel anhalten und ersteht für wohlfeiles Geld ein ebensolches schwarzes Cape.

Das inspiriert offenbar auch den Taxler, der - entweder sehr gut informiert oder sehr gut bezahlt von den Mächten des Guten - plötzlich anfängt, ein Lied von Manuel Freire anzustimmen, das in Portugal angeblich jedermann kennt. Es ist ein Lied über die Wichtigkeit zu träumen: Pedra Filosofal - The Philosopher's Stone - Der Stein der Weisen!

Oh, Joanne! Da sind wir dir doch noch auf eine Schliche gekommen. Da hast du aus Portugal doch noch etwas anderes mitgenommen. Dermaßen bestätigt, hüllt man sich in sein Zaubercape und erhebt sich schwere- und mühelos - wenn auch mithilfe einer Fluggesellschaft - in die Lüfte. (Robert Quitta, DER STANDARD, Album, 27.10.2012)