Nur nicht das Recht auf Waffenbesitz verlieren: Wahlhelferinnen werben am Straßenrand für die ultrakonservative Tea Party: Reportage "Ich will mein Land zurück" um 21 Uhr auf Arte.

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Wien - Es geht um die Wende: darum, "dass es wieder Transparenz gibt", meint Sharon Ford, Vizepräsidentin der Nashville Tea Party. Und dass keine Waffengesetze die Freiheit des Bürgers einschränken: "Mit Waffengesetzen verbietet man den gesetzestreuen, ehrlichen Bürgern, sich zu verteidigen, und dann haben nur die bösen Jungs Waffen, und die halten sich nicht an die Gesetze - sonst wären sie ja nicht die bösen Jungs", argumentiert Sharon: "Wenn wir das Recht auf Waffenbesitz verlieren, sind wir alle verloren." Am Ende des Films wird sie in die Kamera schluchzen: "Ich habe große Angst, dass wir unser Land verlieren."

Es geht um große Gefühle in Astrid Schults Parteiporträt "Ich will mein Land zurück" (22.00, Arte). Die Anhänger der ultrakonservativen Bewegung in der Hauptstadt Tennessees sind alle davon gezeichnet. Die amerikanische Urangst vor staatlichem Einfluss könnte sich gruseliger kaum ausdrücken. Zu öffentlichen Treffen rücken sie mit Plakaten an, die Barack Obama mit Hitler vergleichen: "Nie wieder?" steht unter den Bildern in schreienden Buchstaben. "Wir werden ihn aus dem Weißen Haus schmeißen!", ruft ein Redner.

Schult zeigt Aktivisten und Sympathisanten und ihr fragwürdiges Ideologiegebilde: "Hitlers Vorgehensweise war fast identisch mit der von Obama", sagt eine Anhängerin: "Der einzige Unterschied ist, dass Barack Obama sagt: Die Reichen zahlen nicht genug Steuern. Für Hitler waren die Juden schuld an der Armut."

Einfluss auf Republikaner

Am 16. Dezember 1773 warfen als Mohawk-Indianer verkleidete Aktionisten Teeladungen über Bord eines Handelsschiffes, um gegen britische Regulierungswut zu protestieren, und dienten den Gründern der heutigen Tea Party als Vorbild. Damals wie heute wollen Anhänger freien Handel und sich nichts von der Regierung diktieren lassen. Heute wird der Bewegung maßgeblicher Einfluss auf republikanische Politik zugeschrieben.

Schult kehrt das Normale im Extremen hervor: Zwischen Schießübung und Hassrede umsorgen die Sympathisanten ihre Kinder wie gute Väter und Mütter, sie fahren mit dem Wohnmobil, sie mähen ihre Rasen, manche von ihnen legen sogar Wert auf gesunde Ernährung, und natürlich gehen sie zur Arbeit - sie arbeiten hart: Mrs. Marrero zum Beispiel geht täglich um sieben Uhr abends zur Arbeit, einem Callcenter des örtlichen christlichen Radiosenders. Bis drei Uhr morgens.

Die Begeisterung der Wählerschaft zur Gefolgschaft ist in Nashville allerdings nicht immer vorhanden, und so hat es fast etwas Rührendes, wenn einer der Aktivisten in einer Kirche vor leeren Rängen zur Mobilisation aufruft: "You are America!" Nicht mehr als zehn Zuhörer lauschen, einer ist in sein Mobiltelefon vertieft. Wahlkämpfen kann so erniedrigend sein, auch wenn etwa am Straßenrand in Stars-and-Stripes-Farben verkleidete Wahlhelferinnen und Wahlhelfer stehen, mit der US-Fahne winken und dabei alberne Hütchen tragen. Aber wer eine Mission hat, erträgt Spott mit trotzig erhobenem Haupt. (Doris Priesching, DER STANDARD, 29.10.2012)