Zwischen dem grünen Aufdecker Peter Pilz und seinem Abgeordneten-Kollegen Werner Kogler soll es eine Auseinandersetzung um die Plätze auf der Bundesliste geben. Pilz will angeblich den bisher Kogler vorbehaltenen Platz zwei haben.

Pilz hat im Korruptions-Untersuchungsausschuss Punkte gemacht, gleichzeitig aber durch seine konfrontative und manchmal überzogene Art den möglichen Koalitionspartner SPÖ verärgert. "Mit dem nicht", soll es aus der Kanzlerumgebung verlauten. Mag sein, dass Pilz, der an sich einen wählbaren Platz auf der Liste hat, sich so gegen Dolchstöße absichern will.

Werner Kogler ist stellvertretender Klubobmann, stellvertretender Bundessprecher, Budget-, Finanz- und Rechnungshofsprecher und Vorsitzender des Rechnungshofausschusses. Der steirische Abgeordnete verkörpert die Wirtschaftskompetenz der Grünen und ist auch ein wichtiger Berater von Eva Glawischnig in diesen Fragen. In letzter Zeit begann er sich auch um ein wichtiges potenzielles Wählersegment für die Grünen zu kümmern, nämlich um die (freiwillig oder unfreiwillig) kleinen Selbstständigen, die in ihrem Kampf mit Bürokratie, Steuer und Sozialversicherung von der ÖVP und schon überhaupt von der SPÖ ignoriert werden. Diese Leute wollen durchaus alternativ leben, aber sie betrachten "Leistung" und "Gewinn" nicht als schmutzige Wörter.

In diesem Zusammenhang würde es sich für die heimischen Grünen lohnen, einen Blick nach Deutschlands Südwesten, nach Baden-Württemberg zu werfen. In diesem reichen Bundesland, dessen Struktur von vielen spezialisierten mittleren Unternehmen, aber auch von Riesen wie Mercedes geprägt wird, regiert seit kurzem ein grüner Ministerpräsident (mit SP-Unterstützung).

Letzte Woche folgte dann der Paukenschlag: Auch die Landeshauptstadt Stuttgart fiel an die Grünen, der Spitzenkandidat Fritz Kuhn hat mit 52, 9 Prozent die absolute Mehrheit.

Was ist passiert? "Die Grünen sind - nicht nur in Stuttgart - eine Aufsteigerpartei des neuen Bildungsbürgertums", schreibt die FAZ. Die Wähler sind nach wie vor wirtschaftsorientiert, aber gesellschaftspolitisch und in der persönlichen Lebensgestaltung liberal-umweltbewusst. "Grün heißt wertkonservativ, CDU strukturkonservativ", sagte der grüne Bundesvorsitzende Cem Özdemir.

Die Grünen dort haben sich - gegen den Widerstand des eigenen linken Sektors, der hauptsächlich in Berlin sitzt - an diesen Wandel angepasst und sind nach den Worten ihres erfolgreichen Wahlkämpfers Kuhn " hegemonial" geworden - "sie beherrschen auf positive und freundliche Art den Diskurs".

Anders herum: Sie sind Bestandteil des bürgerlichen Lagers geworden, aber eben eines modernisierten bürgerlichen Lagers. Die CDU im Südwesten war korrupt und machtverstrickt; ihr fehlte die urbane Modernität. Die SPD ist einfallslos und retro. Die Grünen haben es gewagt, aus ihrem "juste milieu" auszubrechen, ohne die Substanz aufzugeben, und wurden zur Volkspartei. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 27./28.10.2012)